Co-Abhängigkeit - die Sucht nach dem „Du“
Co-Abhängigkeit - die Sucht nach dem „Du“
Beobachtet man als Außenstehender Beziehungen von Menschen, in der einer suchtkrank ist und der andere trotz großer persönlicher Einschränkungen diese Beziehung oft über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, aufrechterhält, drängt sich die Frage nach der Rolle des durch die Verhaltensweisen des Süchtigen in Mitleidenschaft gezogenen Menschen auf. Nachfolgend ein kurzer Einblick in dieses Phänomen, das unter dem Begriff der Co-Abhängigkeit Eingang in die Fachliteratur gefunden hat.
Co-Abhängigkeit - die Sucht nach dem „Du“
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Der Begriff der Co-Abhängigkeit entstand in den 70er Jahren und bezog sich ursprünglich auf die Beziehung zwischen einem alkoholkranken Menschen und jenen Menschen, die ihm nahe stehen. Inzwischen wird der Begriff auch in einem weiteren Sinne verwendet, um eine enge persönliche, in seinem Wesen aber destruktive Beziehung zu einem suchtkranken Menschen zu beschreiben, wobei diese Süchte vielfältiger Natur sein können (Alkohol, Drogen, Medikamente, Sex, Affären, Spiel, Internet, Lebensmittel, Arbeit, etc.). Co-Abhängigkeit ist daher eine Beziehungsstörung, in der sich eine Person von einem suchtkranken Menschen in selbstschädigender Weise abhängig macht.

Ein Co-Abhängiger definiert sich selbst und seinen Wert über andere Menschen, orientiert sich in seinem Handeln an anderen und gibt damit die Macht, über sein Leben selbstverantwortlich zu bestimmen, ab. Er ist in seinem Tun sehr im Außen orientiert, umsorgt andere, achtet darauf , dass es ihnen gut geht , fühlt sich verantwortlich für das Wohlergehen und Glück des anderen und vergisst darüber seine eigenen Bedürfnisse. Der andere ist immer wichtiger als man selbst, lieber verzichtet man auf die Erfüllung eigener Bedürfnisse, als dem anderen die Befriedigung eines seiner Bedürfnisse zu versagen. Als Folge davon gerät ein Co-Abhängiger in eine Opfer- oder Helferrolle, die bis zur totalen Selbstverleugnung und Selbstaufgabe ausagiert werden kann. Das Eingehen von Beziehungen zu suchtkranken Menschen, die Unterstützung und Hilfe in besonderem Masse benötigen, wenn nicht sogar „gerettet“ werden müssen, ist eine weitere Konsequenz dieses Verhaltensmusters.

Wo liegen nun die Ursachen für ein solch selbstschädigendes Verhalten? Co-Abhängige sind häufig in einer Umgebung aufgewachsen, in der es für sie überlebensnotwendig war, ihre Gefühle zu unterdrücken. Es war ihnen nicht gestattet, ihre Gefühle zu äußern - sie haben gelernt das zu fühlen, was sie fühlen sollen.

Diese Unterdrückung über viele Jahre hinweg hat dazu geführt, dass sie irgendwann den Kontakt zu ihren Gefühlen verloren haben und daher verunsichert darüber sind, ob das, was sie fühlen, wirklich "echt" ist und ob es auch der Wirklichkeit entspricht. Aus diesem mangelnden Vertrauen gegenüber ihren Emotionen suchen sie zum einen Orientierung und Bestätigung über andere , haben aber auch ein äußerst feines Sensorium für deren Bedürfnisse -letzteres oft auch als Folge des Zusammenlebens mit süchtigen oder kranken Familienmitgliedern. Allen Co-Abhängigen ist darüber hinaus ein mangelndes Selbstwertgefühl gemein. Seine Daseinsberechtigung und damit auch sein Selbstwertgefühl leitet ein Co-Abhängiger davon ab, perfekt zu sein, was oft heißt, die Bedürfnisse anderer perfekt zu erfüllen. Ein Co-Abhängiger hat gelernt, nur dann Liebe und Anerkennung zu bekommen, wenn er seine eigenen Bedürfnisse hintanstellt und den Erwartungen und Bedürfnissen anderer entspricht.


Co-Abhängige müssen daher wieder lernen, Kontakt zu ihren Gefühlen aufzunehmen, ihren eigenen Bedürfnissen Beachtung zu schenken und ihren eigenen Wert zu erkennen - weg von der Suche des eigenen Selbst im „Du“ und hin zum selbstverantwortlichen Gestalter des eigenen Lebens!

Autorin: Eveline Stopfer

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