Sch-Sch-Sch-Stottern- wenn Leistungsdruck die Sprache blockiert
Sch-Sch-Sch-Stottern - wenn Leistungsdruck die Sprache blockiert
Vier Prozent aller Kinder und jeder hundertste Erwachsene stottern. Warum sie Buchstaben, Silben, Worte oder ganze Satzteile immer wiederholen müssen, ist bis heute - trotz 60 Jahren intensiven Forschens - ungeklärt.
Sch-Sch-Sch-Stottern - wenn Leistungsdruck die Sprache blockiert
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In Hunderten von Studien sind Wissenschaftler auf der ganzen Welt zumindest auf einige sich wiederholende Konstanten gestoßen. Heute weiß man, dass es sehr viel häufiger kleine Jungs sind, die eine stotternde Sprache entwickeln, als kleine Mädchen. Die Eltern stotternder Kinder sind meistens fordernd, überängstlich und perfektionistisch. Dieses Verhalten nehme bei den Kindern den späteren Leitungsdruck vorweg, so die Wissenschaftler. Das Stottern erklären sie als Schutzreaktion auf solche Situationen. In manchen Familien kommt Stottern jedoch gehäuft vor, weswegen man auch von einer genetischen Komponente ausgeht.

Auf die Eltern kommt es an

Ann Irwin, Autorin des Buches "Unser Kind fängt an zu Stottern" (TRIAS, Stuttgart. 1998), sieht den Druck der Eltern nicht als ausschließliche Ursache, aber als Verstärker des Stotterns. Irwin hat herausgefunden, dass das Stottern beim Vorschulkind zumeist vom Verhalten der Eltern abhängt. "Sie haben es in der Hand, ob aus ihrem Kind ein lebenslanger "Stotterer" wird. Verhalten sie sich richtig, verliert sich mit größter Wahrscheinlichkeit das Stottern", erklärt die Sprachtherapeutin. Ann Irwin behandelt deswegen nicht das Kind, sondern die direkte Umgebung des Kindes. Denn dort entsteht bei Kindern der Druck, der ihnen das Sprechen so schwer macht. Sie hat ein Programm entwickelt, das Eltern lehrt, diesen meist unbewußt ausgeübten Druck gegenüber ihren Kindern abzubauen. Damit macht sie die Eltern zu den Therapeuten ihres Kindes. Irwins Modell ist sprachorientiert und zielt auf konkrete Situationen zwischen Kindern und Eltern. Hauptziel dabei: Den Druck abbauen und die Drucksituation beim Sprechen vermeiden.

"Lassen Sie Ihr Kind stottern!"

"Eltern sind oft begierig, alles zu unternehmen, was ihr Kind vom Stottern befreien könnte. Aus Unwissenheit machen sie jedoch häufig genau das Verkehrte", erklärt Irwin, die seit 20 Jahren mit Eltern arbeitet, deren Kinder stottern. Ihr Buch soll hier als Lehr- und Lernprogramm dienen. "Auf keinen Fall korrigieren!", lautet die wichtigste Regel, die Eltern im Umgang mit ihren stotternden Kindern beachten müssen. Auch sollte man die Kinder nicht aktiv zum Sprechen auffordern, ihnen jedoch geduldig zuhören, wenn sie sprechen. Der Standardsatz vieler Eltern "Lass dir Zeit beim Reden. Sag es noch einmal ganz langsam", kann kurzfristig helfen, verstärkt aber letztendlich das Problem. In dem Moment, in dem die Umwelt auf das Sprechen eines Kindes reagiert, darauf aufmerksam wird und es zu korrigieren beginnt, übt man Druck aus. Keiner "spricht" vollkommen! "Dabei sprechen wir alle nicht flüssig", betont Irwin. Politiker wiederholen einen Satzteil häufig bis zu zehnmal, ohne deswegen als Stotterer zu gelten. "Stottern", so Irwin, "hängt nicht nur vom Redner, sondern vor allem auch vom Zuhörer ab." Das bedeutet, in dem Moment, in dem wir ein Kind einmal als "Stotterer" wahrnehmen und so bezeichnen, machen wir es dazu. Wird einem Kind bewusst, dass mit seiner Sprache etwas nicht stimmt, erzeugt das einen enormen Druck, der das Stottern verstärkt.

Sklave der eigenen Sprache

Bei drei von vier Kindern gelingt es, diesen Druck abzubauen. Bleibt jedoch das Entwicklungsstottern aus dem Kindesalter bis in die Pubertät bestehen, wird es immer schwieriger das Problem vollständig zu überwinden. Deswegen gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder das Kind gibt das Stottern auf oder behält es ein Leben lang - es bleibt ein lebenslanger Sklave seiner Sprache. Die Angst vor dem Sprechen ist dann so groß, dass diese Menschen jede Sprechsituation zu vermeiden suchen. Sie isolieren sich von anderen Menschen und wählen Berufe, in denen sie möglichst wenig sprechen müssen. Ann Irwin erzählt die Geschichte eines Mannes, der sein Haus verkaufte, weil er nicht mehr in der Lage war, seine Adresse auszusprechen. Nach einigen Monaten ging es ihm mit der neuen Adresse genauso.

Quelle: Thieme
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