Moleküle aus den Labors - für die Duft-Trends von morgen
Moleküle aus den Labors - für die Duft-Trends von morgen
Die Duftbranche stand in den letzten Jahren vor großen Herausforderungen: Natürliche Materialien zur Parfumherstellung werden knapp, verboten oder sollten aus Artenschutzgründen nicht mehr verwendet werden. Immer wieder hört man von einer Krisensituation in der Parfumherstellung, die die Frage aufwirft, ob es uns jemals gelingen wird, die Parfumkunst weiter zu entwickeln und ihr einen Weg in die Zukunft zu ermöglichen – egal ob mit natürlichen oder synthetischen Duftstoffen.
 
2 von 3
 
Umdenken ist gefragt
Mehr zum Thema
» Unser Geruchssinn - ein mächtiger Zauber
» Duftendes Feng-Shui - Harmonie des Raums
» Duftbrunnen - sinnlich wohnen
» Mandarine - gegen graue Stimmung
» Cajeput - sanfter Heiler

Umdenken ist gefragt

Ein durchschnittlicher Duft enthält vom Mengenanteil her zu 90% synthetische und zu 10% natürliche Inhaltsstoffe, vom Wert her machen die natürlichen Stoffe aber 15% der Kosten aus, weil sie um einiges teurer sind als die synthetischen. Das bedeutet, dass oft versucht wird, natürliche Stoffe von schlechterer Qualität einzusetzen. Xavier Brochet spricht sich daher für eine 95-zu-5%-Verteilung aus – mit natürlichen Rohstoffen von besserer Qualität.
Auch Robertet-Parfumeur Michel Almairac hat gelernt, wie man Formulierungen mit einer natürlichen Konzentration von 3 bis 4 Prozent kreiert, und trotzdem eine hohe Qualität gewährleisten kann. Nur das wirklich Essentielle und Außergewöhnliche wird beibehalten, so dass dieser geringe Anteil natürlicher Inhaltsstoffe so entscheidend ist, dass er sich vom übrigen Inhalt abhebt.
In ähnlicher Manier hat Givaudan-Nase Antoine Lie in den letzten Jahren daran gearbeitet, eine neue Art der Duftzusammensetzung auf Basis einer „konzentrierten Qualität“ zu kreieren – sowohl synthetisch als auch natürlich. Oder über einen anderen Weg zu gehen und Rohstoffe zu finden, die in geringer Konzentration noch so ausdrucksstark sind, dass man das gleich Dufterlebnis erzielen kann.

Auch bei Givaudan führten die Beschränkungen oder Umweltbedingungen zu neuen Techniken und interessanten Vorgehensweisen der Parfumeure. Zum Beispiel entstehen durch Destillation, was die Rohmaterialien weniger „aggressiv“ macht, neue ätherische Öle wie Cassisknospen (durch flüchtige Lösungsmittel oder CO2-Extraktion) oder Duftstoffe bisher ungenutzter Pflanzen wie Maiglöckchen oder Flieder. Durch Fraktionierung gelingt es, die gesundheitsschädlichen Elemente mancher Rohstoffe herauszufiltern, was zu einer ganz neuen Qualität führt.
Michel Girard, Parfumeur bei Givaudan erklärt: „Die Essenz von gefiltertem Muskat hat zwar nicht die Intensität des ursprünglichen Rohstoffes, wirkt aber viel erfrischender und hat nicht mehr den Kerosin-Touch. Damit können wir neue, würzige und vor allem innovative Düfte kreieren.“

Die Fraktionierung ätherischer Öle ist nichts Neues, aber das Know-How hat sich verändert und manche der (neuen) ätherischen Öle wie zum Beispiel fraktioniertes Patchouli oder Zedernöl wurden von den Parfumeuren gleich akzeptiert und sind heute in vielen Düften zu finden (Azzaro Elixir, Pucci Vivara Variazioni, Secret Obsession, Prada Amber, D&G Light Blue). Floral Concept bietet ein Zistrosen-Herz an – als Teil des Zistrosen-Concrètes, der nur die wohlriechendsten und interessantesten Noten – und eben nicht die schweren – enthält.
Konfrontiert mir der klassischen Extraktionsmethode durch flüchtige Lösungsmittel, sucht die ganzen Industrie nun nach natürlicheren und umweltfreundlicheren Alternativen. Und die Erfolge können sich sehen lassen – sowohl bei den neuen Rohstoffen als auch bei der Extraktion bekannter Stoffe. Givaudan hat zum Beispiel die Tonkabohne vor der Extraktion geröstet, um ein reichhaltigeres Duftprofil zu ermöglichen, mit Facetten von Schokolade, Kaffee und Karamell, sowie einer verführerischen Note. Extrahiert man Vanille mit Benzoin, ist sie 15mal so stark – ein sehr natürlicher Vanille-Duft, der durch Benzoin „cremiger“ und weicher wirkt (eingesetzt in Tom Ford Black Orchid, Polo Double Black, Ralph Lauren Love).

Was neue Rohstoffe angeht, baut Givaudan sein GIN Program (Givaudan Innovative Naturals) in Kooperation mit Herstellern vor Ort aus, um neue Handelsbeziehungen zu schaffen oder bestehende zu unterstützen. Es ermöglicht den Parfumeuren, bekannte Rohstoffe aus neuen geografischen Quellen zu verwenden, die bisher unbekannte Facetten enthalten – wie zum Beispiel das Bienenwachs aus Laos, das sehr nach Honig, aber auch stark blumig und nach Ginster duftet. Materialien, deren Qualität in den letzten Jahren schlechter wurde, können so verbessert und geschützt werden. Zu guter Letzt werden durch solche Programme auch neue Rohstoffe entdeckt, wie zum Beispiel „purple ginger“ (in Burberry Sport) – eine kraftvolle und innovative Note mit Yuzu- und Vetiver-Aromen, die so gar nicht wie traditioneller Ingwer duftet.

Zurzeit profitieren die Nasen von neuen Nuancen, „aber wir brauchen viel Zeit, um wirklich Innovationen zu schaffen, gerade in einer Krisenzeit“, sagt Michel Girard, der im Verbot von Inhaltsstoffen einen indirekten Weg sieht, ein konservatives Berufsbild fit für die Zukunft zu machen: „Wie viele neue Duftfamilien sind in den letzten 25 Jahren entstanden? Nur eine – die Gourmetdüfte, mit Angel von Thierry Mugler. Das bedeutet nicht, dass das, was kreiert wurde, schlecht war. Nur, dass wir mehr an Evolution glauben als an Revolution.“

 
2 von 3
 

Artikeltitel: Kapitelübersicht


Kommentare