Moleküle aus den Labors - für die Duft-Trends von morgen Die Duftbranche stand in den letzten Jahren vor großen Herausforderungen: Natürliche Materialien zur Parfumherstellung werden knapp, verboten oder sollten aus Artenschutzgründen nicht mehr verwendet werden. Immer wieder hört man von einer Krisensituation in der Parfumherstellung, die die Frage aufwirft, ob es uns jemals gelingen wird, die Parfumkunst weiter zu entwickeln und ihr einen Weg in die Zukunft zu ermöglichen – egal ob mit natürlichen oder synthetischen Duftstoffen. 2 von 3
Umdenken ist gefragt Ein durchschnittlicher Duft enthält vom Mengenanteil her zu 90% synthetische und zu 10% natürliche Inhaltsstoffe, vom Wert her machen die natürlichen Stoffe aber 15% der Kosten aus, weil sie um einiges teurer sind als die synthetischen. Das bedeutet, dass oft versucht wird, natürliche Stoffe von schlechterer Qualität einzusetzen. Xavier Brochet spricht sich daher für eine 95-zu-5%-Verteilung aus – mit natürlichen Rohstoffen von besserer Qualität. Auch bei Givaudan führten die Beschränkungen oder Umweltbedingungen zu neuen Techniken und interessanten Vorgehensweisen der Parfumeure. Zum Beispiel entstehen durch Destillation, was die Rohmaterialien weniger „aggressiv“ macht, neue ätherische Öle wie Cassisknospen (durch flüchtige Lösungsmittel oder CO2-Extraktion) oder Duftstoffe bisher ungenutzter Pflanzen wie Maiglöckchen oder Flieder. Durch Fraktionierung gelingt es, die gesundheitsschädlichen Elemente mancher Rohstoffe herauszufiltern, was zu einer ganz neuen Qualität führt. Was neue Rohstoffe angeht, baut Givaudan sein GIN Program (Givaudan Innovative Naturals) in Kooperation mit Herstellern vor Ort aus, um neue Handelsbeziehungen zu schaffen oder bestehende zu unterstützen. Es ermöglicht den Parfumeuren, bekannte Rohstoffe aus neuen geografischen Quellen zu verwenden, die bisher unbekannte Facetten enthalten – wie zum Beispiel das Bienenwachs aus Laos, das sehr nach Honig, aber auch stark blumig und nach Ginster duftet. Materialien, deren Qualität in den letzten Jahren schlechter wurde, können so verbessert und geschützt werden. Zu guter Letzt werden durch solche Programme auch neue Rohstoffe entdeckt, wie zum Beispiel „purple ginger“ (in Burberry Sport) – eine kraftvolle und innovative Note mit Yuzu- und Vetiver-Aromen, die so gar nicht wie traditioneller Ingwer duftet. Zurzeit profitieren die Nasen von neuen Nuancen, „aber wir brauchen viel Zeit, um wirklich Innovationen zu schaffen, gerade in einer Krisenzeit“, sagt Michel Girard, der im Verbot von Inhaltsstoffen einen indirekten Weg sieht, ein konservatives Berufsbild fit für die Zukunft zu machen: „Wie viele neue Duftfamilien sind in den letzten 25 Jahren entstanden? Nur eine – die Gourmetdüfte, mit Angel von Thierry Mugler. Das bedeutet nicht, dass das, was kreiert wurde, schlecht war. Nur, dass wir mehr an Evolution glauben als an Revolution.“ Artikeltitel: Kapitelübersicht |