What a Beauty - Vom Streben nach Schönheit
What a Beauty - Vom Streben nach Schönheit
Sie bestimmt unseren Alltag, unsere Lebenspraxis, unsere Ziele und Wunschvorstellungen: Die Schönheit ist zur Pflicht geworden. Ob Urlaub, Wohnung, Garten, Gebrauchsgegenstände, Kleidung oder vor allem wir selbst – die Idee des Schönen feiert unaufhaltsam Triumphe. Aber was ist eigentlich schön? Gibt es objektive Kriterien oder nur den Geschmack? Und wieweit gehen wir, um uns selbst unseren Schönheitsidealen anzugleichen?

Im alltäglichen Leben stellt die Schönheit einen zentralen Wert dar: Sie bestimmt nicht nur Erotik und Sexualität, sondern ist zur Pflicht geworden – und sie beschränkt sich dabei nicht auf den Bereich der Mode. In der Kunst ist sie einerseits ein Ziel menschlicher Kreativität, andererseits aber auch schöner Schein und Ablenkung. Aus der Philosophie stammt die Verbindung des Schönen mit den Begriffen der Wahrheit und des Guten, was in der Attraktivitätsforschung heutzutage wieder aktuell ist. Kann es bei diesen breiten Bereichen, die die Schönheit für sich beansprucht, überhaupt objektive Kriterien dafür geben, was schön bedeutet? Oder ist die Schönheit wirklich ein Ausdruck subjektiven Empfindens? Wer sich in der Geschichte der Menschheit umsieht, wird erkennen, dass die Ansichten darüber, was schön ist, gewaltig auseinander gehen – und ihre Spuren bis in die heutige Zeit sichtbar sind.

Schön ist: die Harmonie
Von der Antike bis zur Renaissance wurde versucht, allgemeingültige Kriterien für das Schöne zu finden. Für die alten Griechen waren dies vor allem Proportionalität, Symmetrie und Harmonie, in engem Zusammenhang zum Wahren und der Moral. In der Kunst hingegen war entgegen einem weit verbreiteten Vorurteil vor allem die Nachahmung der Realität die entscheidende Aufgabe, allerdings musste die Umsetzung schon ansprechend und angemessen sein. Der Philosoph Plotin behauptete, dass in der sinnlichen Wahrnehmung der Geist angesprochen werde und verband die Idee des Schönen mit der Idee des Guten.

Schön ist: das Göttliche
Im Mittelalter war man der Ansicht, dass der Glanz und die Ausstrahlung des Schönen eine Leuchtkraft haben, die man sich rational nicht erklären könne. Als Urheber kam daher nur Gott in Frage. Die mittelalterlichen Künstler sahen sich viel mehr als Handwerker, die ihre Werke hauptsächlich im Auftrag politischer oder religiöser Ziele schufen.

Schön ist: das künstlerische Ideal
Die Renaissance machte die Schönheit zum Kunstideal. In seinen künstlerischen Werken sollte der Mensch die Natur übertreffen und deren Schönheit dadurch erst sichtbar machen. Die Lehre von den richtigen Proportionen wurde wiederbelebt und es entstand der Begriff der Schönen Künste, wozu damals Malerei, Bildhauerei, Musik, Dichtung, Tanz, Architektur und Rhetorik zählten.

Schön ist: was gefällt
„Schönheit liegt im Auge des Betrachters.“ Dieser auch heute häufig zitierte Spruch trifft im 18. Jahrhundert auf die Höhe der Zeit, denn hier wird die Schönheit zum Ausdruck einer subjektiven Einstellung, die Begriffe „Geschmack“, „Reiz“ und „Wohlgefallen“ haben Hochkonjunktur. Der Geschmack ist jedoch nicht individuell, sondern eine Fähigkeit, die erlernt werden kann. Die Unterschiede in den Urteilen kommen nicht durch unterschiedliche Geschmäcker, sondern durch den Grad der Sensibilität für das Schöne zustande. Aber es gibt auch jetzt objektive Qualitäten, die geschätzt werden: Kleinheit, Glätte, Zartheit, fließende Übergänge und Farben.

Schön ist: der Schein
In der Moderne macht sich das Hässliche in der Theorie des Schönen bemerkbar und stellt damit den Anfang auf dem Weg zu dessen Entzauberung dar. Die Schönheit wird als Wille zum Schein, der uns vor der hässlichen Wahrheit ablenkt, aber auch als verhängnisvolle Verlockung gesehen und schließlich vom Interessanten abgelöst. Das Interessante hat keinen idealen Maßstab und ist ständig in Bewegung, kann es doch jederzeit überboten werden. Auch die Kunst betrachtet das Schöne im 20. Jahrhundert sehr kritisch, haben sich besonders totalitäre Systeme, wie der Nationalsozialismus und der Kommunismus, am klassischen Ideal der Schönheit orientiert. Erst die Postmoderne holt dieses Ideal wieder hervor und entdeckt den Kitsch wieder, indem sie bewusst mit dem Massengeschmack des Schönen spielt.

Schön ist: der Mensch
Mode, Design, Kosmetik und Werbung leben von dem Versprechen der Schönheit. Wir verbinden Schönheit mit hoher Lebensqualität und wünschen uns von ihr soziale Akzeptanz und Zugehörigkeit. Schön designte Güter verheißen auch immer Freiheit, Glück, Sex und Erfolg, wir zahlen nicht nur mit Geld, sondern auch mit unserer Aufmerksamkeit. Im Mittelpunkt der ganzen Schönheitsdebatte steht aber immer noch der schöne Mensch. Schönheitsindustrie, Parfümerie, Kosmetik und nicht zuletzt die Schönheitschirurgie profitiert von unserer Sehnsucht nach physischer Attraktivität.
Der Zusammenhang zwischen Schönheit und positiven Eigenschaften funktioniert immer noch: schöne Menschen, so nehmen wir oft an, haben es leichter im Alltag, im Berufsleben und im Liebesleben ohnehin. Umso enttäuschender ist das zentrale Merkmal, das sich bei interkulturellen Studien für alle untersuchten Kulturen als schön herausstellt: das unauffällige Durchschnittsgesicht, gepaart mit glatter Haut, symmetrischen Gesichtszügen und Jugendlichkeit. Enttäuschend allerdings nur auf den ersten Blick: Der Trend zu selbst zu verantwortenden Verbesserungsstrategien lässt die Schönheitschirurgie aufblühen. Hinzu kommt die Bilderflut, die uns täglich mit Idealen überhäuft und ein Scheitern im natürlichen Zustand sehr wahrscheinlich macht. Der Druck, sein Selbstwertgefühl durch Eingriffe in den eigenen Körper zu erhöhen, steigt. Aber ist Schönheit wirklich machbar? Ist sie immer leistbar? Und: Wo ist die Grenze zwischen Selbstformung und Selbstverstümmelung?

Literaturtipps:
Konrad Paul Liessmann: Schönheit. Facultas wuv, 2009.
Georg Franck: Ökonomie der Aufmerksamkeit. dtv-Verlag, 2007

Autorin: Anne Wiedlack

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