Alkohol - Gefährliche Verharmlosung
Alkohol - Gefährliche Verharmlosung
Jugendliche probieren Alkohol zumeist aus Neugierde, um seine Wirkungen zu testen. Viele beginnen damit zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr; manche auch schon früher. Die Steigerung des Alkoholkonsums im Jugendalter wird mit der Markteinführung der “Alcopops” in Zusammenhang gebracht.

Jugendliche probieren Alkohol zumeist aus Neugierde, um seine Wirkungen zu testen. Viele beginnen damit zwischen dem 14. und 15. Lebensjahr; manche auch schon früher. Die Steigerung des Alkoholkonsums im Jugendalter wird mit der Markteinführung der “Alcopops” in Zusammenhang gebracht. Fehlendes Problembewusstsein in unserer Gesellschaft gegenüber der legalen Droge, dem Alkohol, lässt trinkende Jugendliche dabei das hohe Gesundheitsrisiko vergessen und die Hälfte der “Kampftrinker” ist inzwischen weiblich.

Frauen vertragen weniger
Bei der individuellen körperlichen und psychischen Disposition zeigt sich, dass die weiblichen Organe sensibler auf Alkohol reagieren als bei Männern. Wegen der verringerten Stoffwechsel- und Enzymaktivität verlangsamen sich die Entgiftungsfunktionen und daraus resultiert eine geringere Verträglichkeit und schwerwiegendere Entzugssymptomatik. Frauen zeigen im Vergleich zu Männern bei gleicher Alkoholmenge durchschnittlich höhere Blutalkoholwerte und eine Anhebung der Alkohol-Konzentration im Gewebe. Dafür sind drei Voraussetzungen verantwortlich:

Das geringere Körpergewicht.
Der höhere Körperfettanteil (Alkohol verteilt sich nicht im Fettgewebe).
Ein hormonell bedingter verlangsamter Abbau des Alkohols.
Damit ist sowohl die Harmlosigkeits- als auch Gefährdungsgrenze bei Frauen um ein Drittel niedriger als bei Männern. Bei der Alltagsdroge Alkohol ergibt sich eine Harmlosigkeitsgrenze beim Mann bei 24 Gramm reinen Alkohols pro Tag, bei der Frau bei 16 Gramm. Die Gefährdungsgrenze liegt bei 60 Gramm beim Mann und 40 Gramm bei der Frau. Schon mehr als 20 Gramm Alkohol am Tag steigert bei Frauen das Risiko der Schädigung aller Körperorgane; insbesondere der Leber, des Herz- und Gefäßsystems und vor allem des Gehirns.

Der janusköpfige Alkohol – Heil- und Rauschmittel
Der Begriff Alkohol stammt aus dem Arabischen (al kuhl) und bedeutet, das Feinste, das Gute, das Wesen einer Sache. Die alten Germanen betrachteten das Met als Heiltrunk und noch heute enthalten bestimmte Heilmittel Alkohol. Trinken lockert die Zunge, schenkt Zufriedenheit und Entspannung, steigert das Selbstbewusstsein und suggeriert ein wohliges Lebensgefühl.
Auch der Alkoholmissbrauch war schon früh verbreitet. Im 16. Jahrhundert hatte das Alkoholproblem einen bedrohlichen Höhepunkt erreicht. Vergeblich prangerte Martin Luther in Predigten und Schriften den “Saufteufel” an, der Leib und Seele verdürbe. Im 30-jährigen Krieg war gezieltes “Wuttrinken” Gang und Gäbe, dem ungezählte Menschen durch sinnlose Morde zum Opfer fielen.

Saufen bis zum Umfallen
Die Ärzte-Zeitung veröffentlichte am 4.11.2004: “Trinken bis zum Umfallen, das kommt auch in Deutschland unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen zunehmend in Mode.” Demnach ist die Zahl der Jugendlichen, die wegen einer Alkoholvergiftung stationär behandelt werden mussten in den Jahren 2000 bis 2002 von etwa 10.600 auf 13.400 gestiegen. Laut Drogenbericht der Bundesregierung waren es früher überwiegend männliche Jugendliche, die sich dem Kampftrinken hingaben. Inzwischen ist jeder zweite Jugendliche, der sich ins Koma getrunken hat, weiblich. Dieser Trend wird auch in anderen Industrienationen festgestellt.
Einstieg leicht gemacht
Alkohol ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig und gilt unter Jugendlichen häufig nicht als gefährlich, sondern steigert das Ansehen und schafft “local heros”. In Discos und auf Partys locken alkoholische Getränke und so genannte “Happy-hour-times” verführen zu übermäßigem Trinken vor allem dann, wenn die gesüßten Alcopops als Mischgetränke zur Verfügung stehen, in denen sich der Alkohol geschmacklich nicht bemerkbar macht. Die Folgen übermäßigen Alkoholkonsums auf die Leber und die übrigen Organe ist langfristig verheerend. Das jugendliche Gehirn ist, was die Suchtentwicklung angeht, deutlich lernfähiger als das Gehirn eines Erwachsenen. Das heißt eine Alkoholabhängigkeit kann früher und schneller entstehen. Neben den gesundheitlichen Folgen kommt es zu sozialen Problemen wie dem Abfall der Schul- und Arbeitsleistungen, finanziellen Problemen, Steigerung der Gewaltbereitschaft und Aggressivität sowie Gefährdung der Sicherheit im Straßenverkehr. Verkehrsunfälle durch Alkoholeinfluss sind nach wie vor die Todesursache Nr. 1 bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Alkohol bewirkt durch die Minderung der natürlichen Hemmschwelle eine Steigerung der Bereitschaft zu leichtsinnigen Sexualkontakten und ungeschütztem Geschlechtsverkehr. Bedenken und Vorhaltungen von Eltern verpuffen zumeist ohne jede Wirkung; vor allem dann, wenn die Eltern selber trinken.

Sind Ärzte geeignete Berater?
Die Zeitschrift “Annals of Family Medicine” (2/5 2004) veröffentlichte eine Studie, die Mut macht. Denn Jugendliche und junge Erwachsene lassen sich durchaus von ihrem Arzt zu einem gedrosselten Umgang mit dem Alkohol bewegen. Diese Studie umfasste 226 junge Erwachsene im Alter von 18-30 Jahren. Die männlichen Probanden nahmen pro Woche mehr als 14 Drinks mit je 14 Gramm Alkohol und die Frauen mehr als 11 Drinks pro Woche zu sich. Die Menge entspricht bei Männern mehr als acht Flaschen Bier oder zwei Flaschen Wein pro Woche. Bei den Frauen waren es mehr als sechs Flaschen Bier bzw. 1,5 Flaschen Wein im gleichen Zeitraum. Die Hälfte der Teilnehmer wurde von ihren Ärzten angesprochen und erhielt zudem praktische Tipps, ihren Durst zu mäßigen. Die Gespräche erforderten 10-15 Minuten und wurden nach vier Wochen wiederholt. Die Befragung nach Trinkgewohnheiten, Unfällen und Straftaten wurde über vier Jahre aufrecht erhalten. Teilnehmer, die mit ihrem Arzt über ihre Trinkgewohnheiten offen gesprochen hatten, verringerten den Alkoholkonsum durchschnittlich um 44 Prozent. Teilnehmer ohne Arztgespräch tranken nur um 25 Prozent weniger. Vor Beginn der Studie sprachen die Teilnehmer im Schnitt an sechs Abenden im Monat dem Alkohol übermäßig zu und reduzierten dies dank der Konsultation auf dreieinhalb Abende pro Monat. Bemerkenswert ist: Wer nach dem Arztgespräch sein Trinkverhalten änderte, fasste diesen Entschluss meistens sofort und blieb die folgenden vier Jahre standhaft.

Alkohol und Schwangerschaft
Alarmierend ist die Aussage des Essener Biologen Dr. Axel Leibstein: “Beginnt der Alkoholmissbrauch mit 25 Jahren, braucht er durchschnittlich 10-12 Jahre, ehe es zu einer Abhängigkeit kommt. Beginnt der Missbrauch dagegen schon mit 15 Jahren, dauert der Übergang in eine Abhängigkeit im Mittel nur 5-6 Monate!
Trinken junge Frauen ohne zu wissen, dass sie schwanger sind, baden alle Zellen des Fetus förmlich im Alkohol, ehe die werdende Mutter ihren Alkoholspiegel abzubauen beginnt. Wegen seiner hohen Entwicklungs- und Wachstumsgeschwindigkeit ist der Fetus besonders anfällig für schädigende Einflüsse. Der Alkohol in der Plazenta tritt nur langsam wieder in den mütterlichen Blutkreislauf über. Dies zeigt, dass die Entgiftung des Ungeborenen von der Leistungsfähigkeit der mütterlichen Leber abhängt. Durchschnittlich baut die Mutter unabhängig vom Blutalkoholspiegel 0,15 Promille in der Stunde ab.
Laut Schätzungen kommt in der Bundesrepublik jedes 350. Neugeborene mit einer mehr oder minder ausgeprägten Alkohol-Embryopathie (AE) zur Welt. Die Kinder sind zu klein und zu leicht, leiden häufig an Fehlbildungen des Gesichtes und Störungen im Gehirn. Aufgrund von Alkoholmissbrauch wird etwa 3.000 jungen Erdenbürgern pro Jahr die Chance auf ein gesundes Leben verwehrt; sie werden förmlich im Mutterleib ertränkt.

Der Berufsverband der Frauenärzte möchte das Problembewusstsein mit diesen Informationen sensibilisieren und alle Beteiligten dazu aufrufen, dem Alkoholmissbrauch unter jungen Frauen entgegenzuwirken.

Autor: Maria-E. Lange-Ernst
Quelle: Berufsverband der Frauenärzte e.V.

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