Die vielen Gesichter der Angst - Panikattacken, Angststörungen und Phobien
Die vielen Gesichter der Angst - Panikattacken, Angststörungen und Phobien
Angst zu haben, ist ein normaler menschlicher Gefühlszustand, der sich als Reaktion auf gefährliche Situationen und Ereignisse einstellt und damit die für den Menschen durchaus „gesunde“ Eigenschaft aufweist, vor Gefahren zu warnen - was in weiterer Folge dazu führt, dass rasch entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen werden können. Was aber steckt dahinter, wenn bei manchen Menschen solche Alarmreaktionen auch in Situationen auftreten, die eigentlich keine Gefahr bedeuten?
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Diese Ängste können vielfältiger Natur sein und treten häufig in Form von Phobien, Panikattacken und einer Reihe spezifischer Angststörungen wie etwa der posttraumatischen Belastungsstörung auf. Auch wenn die auslösenden Situationen oft harmlos erscheinen, führen sie bei manchen Menschen zu einer fast automatisch ablaufenden heftigen Alarmreaktion, die sich bis zur Todesangst steigern kann. Hinter diesen Ängsten steht häufig eine Störung des Gefühls - unterdrückte und nicht gelebte Gefühle, wie z. B. Wut, Aggression, unerfülltes Bedürfnis nach Liebe - oder auch nicht gelebte Wünsche oder Lebensziele. Manifest werden Angststörungen oft dann, wenn mehrere Faktoren wie Veranlagung, Lebensumstände und vor allem (Lern)Erfahrungen zusammenkommen, die überhöhte Angstreaktionen und in weiterer Folge Angststörungen hervorrufen.

Symptomatisch für körperliche Reaktionen im Zusammenhang mit Angststörungen sind insbesondere Verspannungen im ganzen Körper, Spannungskopfschmerzen, starke Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen/Reizüberflutung, innere Unruhe, Herzrasen und -rhythmusstörungen, Schweißausbrüche, Schwindel, Taubheitsgefühle, Unwirklichkeitsgefühle („als wäre man nur Beobachter des eigenen Tuns“), Erschöpfung, Schlaflosigkeit, Konzentrationsschwäche.

Angststörungen können sich zu sehr langwierigen Krankheiten entwickeln und das gesamte Leben, auch das von Angehörigen, erheblich beeinträchtigen. Ein chronisches Leiden entsteht dann durch „aufrechterhaltende Faktoren“, wie beispielsweise das Vermeidungsverhalten.

Sozialer Rückzug, Abhängigkeiten, Arbeitsunfähigkeit und Depressionen sind neben den auftretenden Körpersymptomen und psychosomatischen Beschwerden häufig die Folge – die Tendenz in unserer Gesellschaft dahingehend ist steigend.

Neben den bei Angststörungen auftretenden körperlichen Symptomen gibt es eine Reihe von Nebeneffekten, die insbesondere auf fehlendes Urvertrauen und mangelndes Selbstwertgefühl zurückzuführen sind.

Viele Angstbetroffene finden sich in nachfolgender Charakteristik wieder:

  • Perfektionismus und die damit verbundene Angst, Fehler zu machen
  • Entscheidungsschwierigkeiten und fehlende spontane Handlungsfähigkeit
  • Das Gefühl, den Herausforderungen des Lebens nicht gewachsen zu sein, nicht belastbar zu sein
  • Gefühl der Unkontrollierbarkeit des Lebens
  • Angst davor, gesehen zu werden, im Mittelpunkt zu stehen (Rückzug ins Schneckenhaus)
  • Das Gefühl, nur geduldet zu sein und nicht wirklich gemocht zu werden
  • Angst vor Abhängigkeit
  • Schuldgefühle (sich für alles verantwortlich fühlen und sehr oft auch die tatsächliche Übernahme der Verantwortung für andere)
  • Sich als Versager, wertlos, nicht gut genug, unattraktiv, nicht liebenswert, nicht „für voll genommen“ fühlen
  • Unsicherheitsgefühle und sich nichts zutrauen (Selbstzweifel)
  • Isolation: Das Gefühl, nicht dazu zu gehören, nicht wahrgenommen zu werden, sich unverstanden, in sich alleine fühlen.
  • Nicht „Nein“ sagen können, die eigene Meinung nach anderen ausrichten
  • Starke Beeinflussbarkeit und damit Fremdsteuerung durch andere
  • Gestörte Selbst- und Körperwahrnehmung
  • Neigung zur Kontrolle und starke Verlustängste
  • Ständige Grübeleien, ständige innere Anspannung, ständige Befürchtung, dass gleich etwas Schlimmes passiert, Katastrophendenken
  • Mangel an Lebensfreude und sexuellem Verlangen
  • Erhöhte Sensitivität bis hin zur Empathie

Der Grundstein für eine Angststörung wird häufig schon in der Kindheit gelegt. Indikatoren dafür in der Struktur der Herkunftsfamilie sind insbesondere eine gestörte Mutter-Kind-Beziehung (Liebesentzug, Ablehnung, Überbehütung, Nichtabnabelung), weiters Alkoholismus  sowie Unberechenbarkeit eines oder beider Elternteile (meist mindestens eine cholerische Persönlichkeitsstruktur), ständige Spannungen im häuslichen Umfeld, ständiger Kampf um die Daseinsberechtigung, Mangel an Möglichkeiten zur Entwicklung von Vertrauen in sich selbst und Andere, Neigung der Eltern zu sorgenvollem Denken (häufig selbst Angstbetroffene), „schwarze Erziehung“ („motivieren“ durch Heruntermachen und Kontrolle), Gewalt und Missbrauch.
Doch auch die sehr schnell voranschreitende Weiterentwicklung der Menschheit mit ihren zahlreichen Begleiterscheinungen (Auflösung traditioneller Familienstrukturen, Stress, steigende Scheidungsraten, etc.) führen bei vielen Menschen zur Überforderung und in weiterer Folge immer häufiger zu Angststörungen.

Die Angst ist aber ebenso eine Kraft, die uns darin unterstützt, Bedrohungen zu bewältigen. Sie dient damit der Reifung der eigenen Persönlichkeit wie auch der Beseitigung angsterregender gesellschaftlicher Entwicklungen (Atomkrieg, Umweltverschmutzung, etc.). Die Konfrontation mit der Angst und deren Überwindung trägt zum persönlichen und gesellschaftlichen Fortschritt bei, Angstverleugnung und –vermeidung hingegen führen zum Stillstand: „Nützlich ist jene Angst, die uns hilft im Hier-und-Jetzt zu handeln. Blockierend ist jene, die uns allein bei der Vorstellung einer drohenden Gefahr in unseren aktuellen Handlungsmöglickeiten einschränkt!“


Autorin: Eveline Stopfer
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