Wir verstehen uns - sieben Definitionen von Kommunikation
Wir verstehen uns - acht Definitionen von Kommunikation
Kommunikation kann als technischer, mathematischer, kybernetischer, biologischer, evolutionärer, psychischer oder sozialer Prozess begriffen werden. Acht mögliche Definitionen der Kommunikation regen zum Nachdenken an.

Eine allgemein anerkannte Definition des Begriffs "Kommunikation" existiert nicht und kann auch nicht existieren. Zu unterschiedlich, und oft auch miteinander verflochten, sind die Herangehensweisen der Wissenschaftsbereiche, die sich mit Kommunikation befassen: Kommunikationswissenschaft, Soziologie, Philosophie, Psychologie, Pädagogik, Informationswissenschaft, Medienwissenschaft, Neurophysiologie, Linguistik, Informatik, Semiotik...

"Communicare", lat. "teilen", "gemeinsam machen", "mitteilen", "teilnehmen"

Im deutschen Sprachraum wird der Begriff "Kommunikation" erst seit dem 20. Jahrhundert verwendet, um den Informationsaustausch unter Lebewesen - Mensch und Tier - aber auch Maschinen zu erfassen. Beginnen wir an der Basis: "Kommunikation ist die Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen." (Gerhard Maletzke)
Lebewesen - Menschen oder Tiere - verhalten sich im Hinblick aufeinander. - Eine Definition, die ausschließlich für soziale Kommunikationsprozesse gilt und soziales Verhalten voraussetzt.

"Man kann nicht nicht kommunizieren"

Paul Watzlawick setzt Verhalten mit Kommunikation gleich und kommt zum Schluss, dass "man sich nicht nicht verhalten" kann. Daraus folgt sein wohl bekanntester Satz: "Man kann nicht nicht kommunizieren." Jedes Verhalten kann Bedeutungen vermitteln und besitzt damit kommunikatives Potenzial. Alles hat Mitteilungscharakter und beeinflusst andere: Handeln, Nichthandeln, Worte oder Schweigen.
Doch Kommunikation geht über bloßes Verhalten hinaus. Weil wir handlungsfähig sind, sind wir im Stande, etwas zielgerichtet zu kommunizieren, Kommunikation bewusst herzustellen oder auch abzubrechen. Handeln ist nach Max Weber das menschliche Verhalten, das der jeweils handelnde Mensch mit Sinn verbindet.

"Kommunikation ist zwischenmenschliche Verständigung,...

...reflexibles sprachliches Handeln, intentionales Mitteilen von Zeichen, vor allem durch Sprache als besondere und zugleich fundamentale Form sozialer Interaktion; absichtsgelenktes und zielgerichtetes, auf das Bewußtsein von Partnern einwirkendes und eigenes Bewußtsein veränderndes Handeln; Übertragung und Verarbeitung von Informationen, die der Erzeugung von Bedeutung und Sinn sowie in Arten und Weisen des Verstehens realisiert wird." (Theodor Lewandowski)

Dem gegenüber lässt sich das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun auch grafisch einfach darstellen. Das in vielen Kommunikationsseminaren angewandte, psychologische Modell unterteilt Kommunikation in vier Ebenen. Bei jeder Äußerung werden vier Botschaften gleichzeitig übermittelt: Sachinhalt, Beziehungshinweis, Selbstkundgabe und Appell.

• Der Sachinhalt ist die Botschaft, die explizit übermittelt wird.
• Der Beziehungshinweis gibt dem Gegenüber zu verstehen, was man von ihm hält und reguliert damit die Beziehung.
• Die Selbstkundgabe umfasst die Informationen, die der Sender der Botschaft wissentlich oder unwissentlich über sich preisgibt.
• Der Appell ist der explizite oder implizite Versuch, das Gegenüber zu beeinflussen und etwas zu erreichen.

Eine Nachricht ist verständlich, wenn mit allen gesendeten Signalen die gleiche Botschaft transportiert wird.

Kommunikation ist Selektion

Wenn jemand etwas sagen kann, dann könnte er es auch anders sagen. Wenn jemand etwas versteht, könnte er es auch anders verstehen. - Denn "Kommunikation ist eine Auswahl aus einer Menge von Möglichkeiten" (Ross Ashby). Die tatsächliche Nachricht wird aus einem Vorrat möglicher Nachrichten ausgewählt. Kommunikation lässt sich auch im Nichtwissen ansiedeln: Kommunikation lebt im ungleich verteilten Wissen und Nichtwissen (Niklas Luhmann). Die Form des Wissens lässt immer und gleichzeitig eine Seite des nicht Gewussten mitlaufen. Jeder Teilnehmer an Kommunikation muss abschätzen können, was überhaupt nicht gewusst werden kann. Damit vermeidet er, für die anderen "Unsinn" zu reden.

"Nur die Kommunikation kann kommunizieren"

Kommunikation ist eine Operation, die als eine Gesamtheit aus Information, Mitteilung und Verstehen besteht. "Der Mensch kann nicht kommunizieren. Nur die Kommunikation kann kommunizieren", grenzt Luhmann seine soziale Systemtheorie vom handlungstheoretischen Zugang ab. Kommunikation ist nach Luhmann kein menschliches Handeln, sondern eine Operation sozialer Systeme, mit der diese sich selbst erhalten. Die Verflechtung eigener, persönlicher Erfahrungen mit Kommunikation kommen mit Absicht nicht vor. Statt Menschen kommunizieren "soziale Systeme".

Kommunikation als "Übertragung von Nachrichten"

Keine wie auch immer "übermittelte" Nachricht ist für den Sender und den Empfänger dieselbe, weil sich Sender und Empfänger als undurchschaubare "Black Boxes" gegenüberstehen: Welche Vorstellungen ein Gegenüber in sich trägt, was es denkt, fühlt und welche Absichten es hegt, ist für andere nicht wahrnehmbar. Was mitgeteilt werden soll, muss zunächst in gesellschaftlich festgelegte Zeichen, Sprache, Gesten, Mimik etc. übersetzt werden.

In der mathematischen Theorie der Kommunikation von Warren Weaver und Claude E. Shannon wird der Begriff Kommunikation für alle Vorgänge gebraucht, durch die gedankliche Vorgänge einander beeinflussen können: Wort, Schrift, aber auch Musik, Theater bzw. für das gesamte menschliche Verhalten. Shannons Definition von Kommunikation als die Übertragung von Nachrichten, hatte ingenieurwissenschaftlichen Charakter vor dem Bewusstsein, dass bei sozialer, zwischenmenschlicher Kommunikation von "Übertragung" keine Rede sein kann.

Das Bewusstsein des Publikums bleibt auch für jeden TV- oder Radiosender eine "Black Box". Der Benutzer und nicht der Sender entscheidet, ob eine Nachricht ihren Bestimmungsort erreicht. Deshalb muss - nach konstruktivistischer Auffassung - eine Vermittlung oder Übertragung von Nachrichten "von System zu System" scheitern.

Kommunikation als "Gespräch über die Welt der konkreten Phänomene"

Menschliche Kommunikation ist nach Vilém Flusser ein "Gespräch über die Welt der konkreten Phänomene." Sie ist das Erzeugen, Weitergeben und Speichern von Informationen, mit der Absicht, diese Informationen konkreten Phänomenen aufzuprägen und damit die Welt zu verändern.

Je weniger eine Nachricht in Form gebracht ist - informiert - desto mehr Selektions- und Interpretations-Spielraum bietet sie dem Gegenüber: "Wer kommunizieren will, darf wenig informieren" (Vilém Flusser). Kommunikation ist nur dann möglich, wenn ein Individuum die Möglichkeit für einen Spielraum zur Selbstbestimmung hat. "Wie wenig machen wir uns klar, dass wir nicht an die Welt, sondern an die Kommunikation grenzen" (Oswald Wiener).
 

Autorin: Mag.a Eva Tinsobin
 

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