Eltern werden- Der Countdown läuft
Eltern werden - Der Countdown läuft
Bei Eva und Karl D. ist es bald soweit, noch gut 10 Wochen und sie sind zu dritt. Doch viele Fragen brennen den beiden noch gewaltig unter den Nägeln: Was passiert während der Geburt? Klappt es wohl mit dem Stillen?
Eltern werden - Der Countdown läuft
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Vor einigen Tagen wurde der alte Stubenwagen neu hergerichtet und das zukünftige Kinderzimmer in frischen Farben gestrichen. Ob in Blau oder Rosa war nie ein Thema, sie haben sich einfach für ein zartes Grün und ein warmes Orange entschieden. Doch andere Fragen brennen den beiden noch gewaltig unter den Nägeln: Was passiert während der Geburt? Klappt es wohl mit dem Stillen? Wo bekomme ich eine gute Hebamme für die Entbindung? Was heißt Nachsorge, und und und? Eva D. ist es schon etwas mulmig, hat sie doch mitbekommen, welche Probleme ihre beste Freundin beim Stillen ihres ersten Kindes hatte. Erst die langwierige Geburt, dann schien es, dass keine Milch da war, die Brustwarzen taten ihr immer weh und schließlich war da noch der schmerzhafte Milchstau. Ganz zu schweigen von den Omas und Tanten, die sich in geballter Ladung um die junge Mutter gruppierten, sich gegenseitig mit guten Ratschlägen übertrafen und dabei beschwörend auf die entblößte Brust der heulenden Frau und das schreiende Kind starrten. Eva hat sich Stillen stets als etwas Schönes und Harmonisches vorgestellt. Aber nach diesen Erlebnissen und Schilderungen kommen ihr schon leichte Zweifel, ob Stillen wirklich etwas so Tolles ist.

Zeit nehmen – zum Stillen

„Stillen ist etwas sehr Schönes und sein Kind selber zu ernähren, ist nicht nur ein inniges und intimes Erlebnis für die Mutter und das Neugeborene, es bereichert sowohl das eigene Leben als auch das des Babys“, so Beate Lukassen, Kinderkrankenschwester und Still- und Laktationsberaterin IBCLC (International Board Certified Lactation Consultant) im Elisabeth-Krankenhaus Essen. „Über 90 Prozent der Frauen möchten heute ihr Kind stillen. Das war nicht immer so. Es zeigt sich aber auch, dass nach einigen Monaten nur noch weniger als die Hälfte der Kinder gestillt werden. Das hat unterschiedliche Gründe, zum Beispiel wunde Brustwarzen, Milchstau, Stress, zu wenig Milch, schlechte Erfahrungen oder auch mangelnde Unterstützung. Einige Frauen fangen beispielsweise auch frühzeitig wieder an zu arbeiten, und nicht jede hat die Möglichkeit, die Muttermilch abzupumpen und bis zur Fütterung geeignet aufzubewahren, anderen wird das Stillen einfach zu lästig.“

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass Stillen durch den Kontakt mit der mütterlichen Brust für ein Gefühl von Vertrauen und Geborgenheit und so für die gesunde emotionale Entwicklung des Kindes besonders förderlich ist. Als Still- und Laktationsberaterin hat Beate Lukassen langjährige Erfahrung mit Müttern und ihren Stillfragen und -problemen. Aus ihrer täglichen Praxis sind ihr die Ängste und Sorgen von Eva D. nur zu gut vertraut. Neun Monate Wartezeit, und dann ist das Kind plötzlich da und will von der ersten Minute an versorgt werden. „Wir Frauen können beruhigt auf unsere eigenen Fähigkeiten vertrauen,“ versichert die Fachberaterin. „Jeder Frau ist von Natur aus die Fähigkeit zum Stillen mitgegeben worden. Der weibliche Körper macht vieles in Eigenregie und die Frauen können sich auf ihn verlassen. Trotzdem können immer mal wieder Probleme auftauchen, vor allem in der ersten Zeit, wenn alles noch neu und ungewohnt ist“, weiß sie zu berichten. „Dann ist es gut, wenn die werdenden Mütter – und auch Väter – sich schon vor der Geburt Informationen und Rat holen konnten. Wichtig ist vor allem, wenn Schwierigkeiten auftauchen, nicht gleich aufzugeben. Sowohl die frischgebackenen Mütter als auch ihre neugeborenen Kinder brauchen Zeit. Zeit, um sich gegenseitig kennen zu lernen und aufeinander einzustimmen und Zeit, um das Stillen und gestillt werden zu üben. Denn auch dies will gelernt sein.“

Eltern sein, von Anfang an

Eltern, die sich schon vor der Geburt des Kindes mit dem, was danach auf sie zukommt, gedanklich auseinander gesetzt haben, gehen entspannter mit der Umstellung, jetzt zu dritt zu sein, und dem Stress der ersten Tage um. Informationsveranstaltungen, wie sie zum Beispiel in der Elternschule angeboten werden, und Hilfestellungen durch Kinderkrankenschwestern, Hebammen, Gynäkologen, Kinderärzte, Ökotrophologen und Anästhesisten unterstützen dabei. Vor allem können so im Vorfeld auch Ammenmärchen und Mythen rund um das Neugeborene und das Stillen ausgeräumt werden. Beispielsweise die falsche Annahme, dass die Milch in der Brust an heißen Sommertagen sauer werden könne. Die Frauen bekommen im Gespräch Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten und werden sicherer im Umgang mit dem Kind und dem Stillvorgang.

„Wir empfehlen gerade Erst-Eltern die Elternschule und bieten auch nach der Geburt Treffen im Still-Café und die Still-Beratung an“, so Prof. Dr. Stefan Niesert, Klinikdirektor der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe am Elisabeth-Krankenhaus Essen. „In mehreren wöchentlich stattfindenden Vorträgen erfahren die werdenden Eltern alles Wissenswerte für die ersten Monate mit dem neuen Familienmitglied: Hinweise zur Körperpflege des Neugeborenen und zur richtigen Schlafposition,. Informationen und Hilfestellungen zum Stillen, zur Ernährung der Mutter, zur Folgeernährung des Kindes usw. Zusätzlich werden aber auch Themen wie Berufstätigkeit und Stillen, Abpumpen und richtiges Aufbewahren der Muttermilch behandelt. Des Weiteren lernen die TeilnehmerInnen die Kreissäle kennen und erfahren, wie und in welchen Positionen die Entbindung möglich ist. Hier können drängende Fragen beantwortet und Unsicherheiten ausgeräumt werden. Wir möchten mit unserer Arbeit das Zusammenleben der ganzen Familie fördern, Unterstützung und Orientierungshilfen im Alltag geben.“

Tröpfchen für Tröpfchen Qualität

Das Stillen stärkt nicht nur die Eltern-Kind-Bindung, es dient auch der Gesundheit von Mutter und Kind. „Die Weltgesundheitsorganisation WHO rät daher auch allen Müttern, ihre Kinder mindestens bis zum Ende des sechsten Monats zu stillen. Als Still- und Laktationsberaterin kann ich dem nur zustimmen. Muttermilch hat immer genau die richtige Zusammenstellung, um einen Säugling in den ersten Lebensmonaten zu ernähren“, so Beate Lukassen. „Alle für das Kind wichtigen Energie- und Nährstoffe stehen rund um die Uhr in einer idealen Zusammensetzung zur Verfügung und das von Anfang an. Egal, ob sich Mutter und Kind gerade in der heimischen Wohnung oder bei einem der ersten Spaziergänge befinden, ist sie immer richtig temperiert, stets hygienisch sauber verpackt und dann auch noch so kostengünstig.“

Still, still, still, weil’s Kindlein saugen will

Wer sich noch in der gemeinsamen Still-Übungsphase befindet, sollte versuchen, Stress zu vermeiden. Grundsätzlich vertragen Babys Stress. Jedoch nicht den Stress, den Mütter dadurch haben, dass sie sich selber überfordern und der dann beim Stillen auf das Baby übertragen wird. Stress kann auch durch Druck von außen entstehen, beispielsweise durch zu viel und zu anstrengenden Besuch in den ersten Tagen. Die lieben Verwandten und Freunde möchten natürlich das neue Baby bestaunen, doch: „Stillende Mütter sollten sich zurückziehen können und nicht am Kaffeetisch zwischen Torte und Milchbildungstee das Kind anlegen und dabei zu vielen – oft gutgemeinten – aber überfordernden Ratschlägen ausgesetzt sein. Großmütter, Tanten und auch Freunde neigen manchmal dazu. So kann der Druck von außen ein Faktor für Stillprobleme sein“, so die Still- und Laktationsberaterin. Die Zeit nach der Entbindung sollten die Frauen nutzen, um sich von der Geburt zu erholen und um zu lernen: unter anderem das Handling, Wickeln und Baden des Kindes, verschiedene Stillpositionen, richtige Anlegetechnik und vieles mehr. Beim Rooming-in können sich Mutter und Kind von der Geburt erholen, dabei kennen lernen, ohne von einander getrennt zu sein. „Im Krankenhaus und auf der Entbindungsstation stehen wir rund um die Uhr zur Verfügung und können beispielsweise schon beim ersten Anlegen Hilfestellung leisten und gemeinsam für das spätere Stillen zu Hause üben.“

Angebot und Nachfrage

Babys möchten beim Stillen sowohl die Nähe der Mutter als auch die Milch genießen, daher sollten die Mütter auch mit ihren Gedanken dem Kind zugewandt sein. „Um eine ‚gesunde’ Stillbeziehung aufzubauen, ist es gerade in den ersten Tagen wichtig, dass sich Mutter und Kind aufeinander einstimmen“, rät Beate Lukassen. „Gerade die ersten Stunden nach der Geburt sind hierfür besonders von Bedeutung, da der Such- und Saugreflex des Neugeborenen zu diesem Zeitpunkt sehr stark ausgeprägt ist und durch das Anlegen und Saugen der Körper der Mutter aufgefordert wird, mit der Milchproduktion zu beginnen. Und das Beste: Angebot und Nachfrage der Muttermilch werden durch den Säugling selber geregelt.“

Grundsätzlich gilt, mit der genügenden Portion Gelassenheit dem neuen Leben zu dritt zu begegnen und es vor allem zu genießen. Und, wenn Fragen oder Probleme auftauchen, sich nicht zu scheuen, um Rat und Unterstützung zu bitten. 

Quelle: EKE
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