Empathie - Ich und Du: eine Gratwanderung
Empathie - Ich und Du: eine Gratwanderung
Unser Einfühlungsvermögen in andere ist der Schlüssel für ein glückliches Zusammenleben. Vorausgesetzt, wir drehen ihn nicht in die falsche Richtung.
Empathie - Ich und Du: eine Gratwanderung
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Wer Einfühlungsvermögen besitzt und richtig zuhören kann, kommt weiter als jeder Sturkopf, habe ich mir sagen lassen. Trotzdem: Es gibt Momente, da will man mit dem Kopf durch die Wand, nur die eigenen Interessen voranstellen und sie verfolgen, auf Biegen und Brechen, wenn es sein muss, bis das Ziel erreicht ist und sich die Realität nach den ganz persönlichen Vorstellungen richtet.
Egoismus also, der zu seiner Höchstform aufläuft: kompromissloses, engstirniges Verhalten, das schnell an Grenzen stößt und den sozialen Umgang mit anderen nicht gerade fördert. Dabei mag der persönliche Hang zur Aufführung hedonistischer Freudentänze oft nicht besonders übermäßig sein. Starrsinnigkeit lässt sich wohl in vielen Fällen auch als Produkt einer Schwäche begreifen, die Dinge am Schopf zu packen und geradlinig umzusetzen. Mit einem Wort: Geht man üblicherweise nicht gerade konsequent und schlagfertig, selbstgerecht und unnahbar durch die Welt, dürfte man es doch wenigstens einmal versuchen, sich wirklich durchzusetzen. Aber wie?
Nicht mit Gewalt, sondern mit guten Argumenten, versteht sich, mit diplomatischem Geschick. Also doch kein Egoismus, kein Wortabschneiden, kein Überfahren fremder Interessen, das wäre der falsche Zug, sagt die Vernunft. Doch ständig an andere zu denken, stets umsichtig, stets hellhörig auf ihr Befinden zu reagieren und seine eigenen Wünsche dabei auszuklammern, führe auch in die verkehrte Richtung. Auf der Gratwanderung zwischen Egoismus und Altruismus hilft demnach nur eines: Das Gleichgewicht zu bewahren und weder seinen eigenen Bedürfnissen noch seiner sozialen Kompetenz bemerkbare Schäden zuzufügen.
 
Die Kunst des Zuhörens …
 
Doch halt: Warum überhaupt von einem „Schaden“ sprechen? Warum von einem Nullsummenspiel ausgehen, in dem man entweder nur gewinnen oder verlieren kann?
Wer Wert auf soziale Kompetenz legt, weiß, dass er damit nicht nur anderen, sondern immer auch sich selbst Gutes tut. Wie man in den Wald schreit, so schallt es zurück.
Auch das Zuhören erschöpft sich daher nicht mit dem Nebenbeihören. Konzentriertes und aufmerksames Hinhören bildet die Grundlage für jede Art tiefer gehenden sozialen Verständnisses. Sich in andere Menschen einfühlen bedeutet sowohl zuhören, als auch das Erzählte aufnehmen und in gewisser Weise nachvollziehen zu können.
Ein Gespräch, das auf Empathie beruht, zeichnet sich daher vor allem durch gegenseitigen Respekt aus. Weder das halbherzige Zustimmen, mit dem man die Meinung des Partners oft vorschnell bedenkt, um keine Disharmonie zu erzeugen, noch das überschäumende und kräfteraubende gegenseitige Unterbrechen mit neuen Vorwürfen haben hier etwas verloren.
Wer richtig zuhört, lässt den anderen ausreden und beweist sein Taktgefühl bei Problematiken besser im spärlichen Austeilen gut gemeinter Ratschläge als in einem Monolog darüber, wie der andere seine oder eine gemeinsame Sache zu lösen habe.
 
… auf Augenhöhe
 
Die mangelnde Bereitschaft, zuzuhören, fördert schließlich Missverständnisse. Schnell entsteht der Eindruck, der andere nehme die eigenen Äußerungen nicht ernst und gebe ihnen kein Gewicht. Wer sich in der Kunst des Zuhörens versteht, weiß deshalb ebenso gut, zwischen Mitgefühl und Mitleid zu unterscheiden. Ein Dialog, in dem beide Gesprächspartner sich auf selber Augenhöhe befinden, verträgt kein einseitiges Mitleid. Nur wer besser als der andere dastehen will, führt sein Mitleid ins Feld und erhöht so seine eigene Position. Es versteht sich von selbst, dass ein solches Verhalten dem Bemitleideten wenig Würde lässt. Von Empathie kann in diesem Fall keine Rede mehr sein.
Die Fähigkeit zur Empathie kann jedoch ihrerseits auch Schattenseiten zeigen, etwa bei Menschen, die regelrecht zwanghaft versuchen, anderen ihre Hilfe aufzudrängen.
Empathie im Zusammenhang mit aufopfernder Selbstlosigkeit und einer überzogenen Kompromissbereitschaft führt ebenso wenig zu gegenseitigem Respekt wie das sture Festhalten an den eigenen Plänen. Wie in allen Lebenslagen gibt es auch hier eine dritte Möglichkeit, die beide Seiten verbindet: ein verstehendes Gespräch auf Augenhöhe.
Autorin: Angelika Stallhofer
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