Ikebana - die Faszination der Blumen
Ikebana - die Faszination der Blumen
Wenn von unseren Freunden, Verwandten, Bekannten, Kollegen oder Chefs jemand Geburtstag hat, verschenken wir Europäer gerne einen Blumenstrauß – je größer und bunter, desto besser. In Japan undenkbar. Dort ist Ikebana, das Arrangieren von Blumen, eine eigene, hoch entwickelte Kunstform, hinter der eine ganze Philosophie steckt. Youkoso – Willkommen in der Welt der japanischen Blumenkunst!
Ikebana - die Faszination der Blumen
Info
Ikebana auf einen Blick

Kurz zusammengefasst sind die Charakteristika des Ikebana:

· Das Arrangieren, wobei die Form an sich nicht unbedingt das Ziel ist

· Die Raumwirkung, weshalb Ikebana auch zum Teil eine Installation ist

· Das Material: zum Großteil werden Pflanzen verwendet

· Die Kreativität und Hingabe des Künstlers, die zum Ausdruck kommen

· Der Zeitcharakter
Mehr zum Thema
» Tulpentherapie: Winter ade statt Wintertristesse
» Lassen Sie Blumen sprechen - eine Sprache, die ohne Worte auskommt
» Feuerrote Blütenflammen - die Bromelie bringt Farbe in Ihr Haus!
» Functional Food - darf’s ein bisserl mehr sein?
» Der Zauber der Jahreszeiten - Zwiebelblumen und die Magie des Frühlings
Von Samurais, Geishas & Kurtisanen

Wörtlich übersetzt bedeutet Ikebana, dessen Wurzeln bis ins 6. Jahrhundert zurückreichen, „lebende Blumen“. Diese Kunstform war neben der Teezeremonie, Dichtung, Musik und Kalligraphie eine der Fertigkeiten, die ein Adeliger beherrschen musste. Auch Samurais, buddhistische und shintoistische Priester praktizierten sie. Nachdem sie lange nur von Männern ausgeführt wurde, entwickelte sie sich später zu einer verpflichtenden Ausbildung für Kurtisanen und Geishas. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts hat Ikebana auch seine Wege über die japanischen Grenzen gefunden und wird nun in aller Welt ausgeübt.

Die Kunst der Gegenwart

Fast alle Stile dieser Blumenkunst haben sich bis heute bewahrt. Doch das bedeutet nicht, dass es keine Weiterentwicklung gibt, ganz im Gegenteil: Ikebana ist eine offene, nicht abgeschlossene Kunstform, die nur in der Gegenwart existiert. Dafür spricht nicht nur die Vergänglichkeit des Materials – es werden hauptsächlich lebendige Pflanzen verwendet –, sondern auch die Tatsache, dass durch den Künstler etwas in Erscheinung tritt, das immer vom Zeitgeist geprägt ist. Der Eindruck des Ikebana, das genaues Schauen verlangt, wird durch das Verhältnis von Linien und Massen, Farben und Formen bestimmt.

Die Begegnung zwischen Künstler und Natur

Im klassischen Ikebana ist eine Kombination aus Blumen, Zweigen und Gräsern sehr häufig. Japan bietet mit seiner reichen einheimischen Vegetation dafür die besten Voraussetzungen. So werden auch Grünpflanzen, Gemüse und Früchte verwendet. Das 20. Jahrhundert hat die Materialauswahl der Kunst stark bereichert; so bauen Künstler in klassische Arrangements auch oft Metall, Draht, Gips, Beton, Schrott, Plastik und Glas ein. Mit welchem Material auch immer – zu Beginn steht immer die Begegnung zwischen dem Künstler und seinem Werkzeug, sei es organisch oder anorganisch. Die Intention wird oft erst durch die Arbeit klar.

Eine wichtige Rolle spielt außerdem das Gefäß, in dem die Blumen arrangiert werden. Die Palette reicht von allen Arten von Vasen über Schalen, Sutrenrollenröhren bis hin zu Reiszuber und Waschtrögen. Im Kontext mit der Teekunst werden oft geflochtene Körbe verwendet. Moderne Arrangements benützen Flaschen, Reagenzgläser, Schalen aus Stahl, Plexiglas oder verzichten auch ganz auf ein Gefäß. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Ikebana-Philosophie und der Blumen-Weg

Hinter der Blumenkunst steckt nicht nur die Idee des Ausdrucks, sondern auch die des Schöpfungsprozesses. Der Künstler möchte sich nicht nur an den Blumen erfreuen, sondern sie durch seinen Gestaltungsprozess zu neuem Leben erwecken – ein Gedanke, der der in der japanischen Philosophie fest verankerten Tatsache des ewigen Wandels sehr Nahe kommt. Ikebana ist in diesem Sinne auch eine Art von Bewusstseinsschulung, indem es daran erinnert, im Hier und Jetzt zu leben. Die meditative Form des Ikebana wird Kad, der Weg der Blumen, genannt.


Autorin:
Mag.a Anne Wiedlack

Lesetipp: Franziska Ehmcke, Faszination Ikebana, Dumont Verlag.
Kommentare