Stilldemenz - ab jetzt geht’s nur mehr um das Baby
Stilldemenz – ab jetzt geht´s nur mehr um das Baby
Junge Mütter, aber auch schon Schwangere, kennen das Phänomen „Hirn auf Pause“. Scheinbar jedenfalls. Denn während Autoschlüssel verlegt, Handys verräumt und Termine vergessen werden, wird jede Information, die mit dem Baby zu tun hat, hervorragend gespeichert.
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So ist es kein Problem, sämtliche Kinderwagenmodelle und ihre wichtigsten Merkmale aufzuzählen, geschätzte 100 Theorien über den Babyschlaf wiederzugeben und jedem, der es hören will, eine nahezu vollständige Liste der pädagogischen Konzepte inklusive Öffnungszeiten und Kosten aller Kindergruppen, -krippen und –gärten im Umkreis von 10 km vorzubeten. Arbeitet das Gehirn in Schwangerschaft und Stillzeit also tatsächlich schlechter?
 
Ein einfaches „Ja“ oder „Nein“ gibt es darauf nicht. Das Problem ist viel differenzierter. Während Schwangere und junge Mütter tatsächlich vieles vergessen, was sie sich vorher leicht gemerkt haben, zeigen sie an anderer Stelle ganz erstaunliche Gedächtnisleistungen. Dinge, die nicht mit dem Baby zu tun haben, rücken in den Hintergrund, der Fokus der Mutter liegt auf ihrer Familie und da vor allem auf dem Wohlergehen des kleinen Erdenbürgers. Möglich, dass der Nachname des Nachbarn nicht gleich parat ist, das liebste Kuscheltier oder das wirkungsvollste Einschlafritual wird aber wohl nie vergessen werden.

Die Hormone sind nicht an allem schuld!
Es scheint aber, als würden sie schon einiges dazu beitragen, dass sich die Prioritäten der Mutter verändern. Vor allem solange Mütter stillen, spricht doch einiges dafür, dass die veränderte Hormonlage dem Gedächtnis ordentlich zusetzt. Dabei spielen vor allem Prolaktin, das für die Milchbildung verantwortlich ist und Ocytocin, das den Fokus auf das Kind lenkt, sowie das Hormon Kortisol, das helfen soll, negative Einzelheiten über die Geburt schnell zu vergessen, eine wichtige Rolle. Leider beschränkt es seine Wirkung allerdings nicht darauf, sondern lässt auch alltägliche Kleinigkeiten mitverschwinden.
 
Schlafen macht schlau!
Ein weiterer Grund für die neue Vergesslichkeit ist wohl der Schlafmangel. Schon im letzten Drittel der Schwangerschaft schlafen die werdenden Mamas meist schlecht. Der Bauch drückt und die Sorgen um die bevorstehende Geburt und das Dasein als Mutter rauben einem buchstäblich den Schlaf. Sobald der kleine Mensch dann da ist, ist die Nachtruhe sowieso nur mehr ein schwacher Abklatsch dessen, was sie früher einmal war, sofern man dabei überhaupt noch von „Ruhe“ sprechen kann. Und Schlafentzug ist eine bekannte Foltermethode, die Folgen sind Müdigkeit, Vergesslichkeit, Reizbarkeit, Aggressivität, körperliches Unwohlsein, Überforderung und Depression. Kein Wunder also, wenn bei aller Freude über den neuen Erdenbürger die Nerven ein wenig blank liegen!
 
Keine Angst, es geht vorbei!
Sobald die Nächte ruhiger werden und besonders, wenn dann auch noch abgestillt wurde, pendelt sich aber alles wieder ein. Vermutlich haben sich die Prioritäten zwar dauerhaft geändert, die Kinder werden – hoffentlich – weiterhin ganz oben in der Wichtigkeitsskala stehen und alltägliche Kleinigkeiten den ihnen zustehenden Platz bekommen, das Gedächtnis sollte aber wieder funktionieren und die Nerven werden sich beruhigen.
 
Die gute Nachricht: Auf Dauer sind Mütter schlauer!
Es deutet sogar einiges darauf hin, dass das Gehirn von Müttern dauerhaft sogar besser funktioniert als vorher. Scheinbar findet in der Schwangerschaft ein „Umbauprozess“ statt, der auf die künftige Mutterrolle vorbereitet. Schließlich müssen Mütter ständig die nonverbalen Signale ihrer Kinder richtig deuten, was ein hohes Maß an Beobachtungsgabe und Einfühlungsvermögen notwendig macht. Alles muss gleichzeitig passieren und es ist unerlässich innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde abzuschätzen, ob Gefahr droht um entsprechend schnell zu reagieren.
 
Stressresistenz, Belastungsfähigkeit, Empathie, Reaktionsschnelligkeit, Flexibilität, all das sind Eigenschaften, die man nicht nur bei Kindern braucht. Wer die Fähigkeiten dann auch in den Job mitnimmt, der hat wichtige Sozialkompetenzen erworben, die ihm wohl kein Seminar hätte vermitteln können!

Noch ein Tipp:
Mit dem Kind im selben Bett zu schlafen, erleichtert nicht nur das Stillen in der Nacht, bei dem so weder Mutter noch Kind richtig aufwachen müssen, es gleicht sich auch der Schlafrhythmus an und verhilft der Mutter so doch zu einigen Tiefschlafphasen. 

AutorIn: Iris Fischer

Fotocredit: JMG / pixelio.de
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