Stabile Faszien durch Shiatsu und Bewegung
Stabile Faszien durch Shiatsu und Bewegung
Seit einiger Zeit taucht der Begriff „Faszien“ immer wieder auf. Es gibt sogenannte „Faszienrollen“ zu kaufen, das Wort „Faszienmassage“ führt auf Google aktuell zu rund 50.000 Einträgen, neue Ernährungstrends verschreiben sich den Faszien. Was sind Faszien und wie können sie in der Körperarbeit, etwa beim Shiatsu, behandelt werden?
Faszien als Formgeber

Ein anderes Wort für Faszien – das Bindegewebe. Den meisten ist eine „Problematik“ damit nur in Form von Cellulitis bekannt, doch ohne dieses Bindegewebe könnten wir nicht existieren.

Das fasziale System ist ein multidimensionales Netzwerk, das den ganzen Körper durchzieht und auf allen Ebenen, bis zu den einzelnen Zellen, vorhanden ist. Es bildet die Form des Körpers und gibt uns unser individuelles Aussehen und unsere spezifische Körperhaltung. Faszien bestehen aus einer Grundsubstanz und Kollagenfasern. Die Kollagenfasern bilden entweder – wie die Haut – ein flaches, ungeordnetes Netz, oder sie sind wie Sehnen gerichtet und können große Kräfte übertragen. Sie grenzen Organe voneinander ab, bilden Gleitschichten und „Verschiebezonen“ zwischen den Organen.
Faszien erfüllen vielfältige Aufgaben: Neben der Abgrenzung der einzelnen Körperelemente bilden sie zugleich das Netz, das den Körper erst zu einer Funktionseinheit zusammenschließt. Sie verfügen über zahlreiche Rezeptoren und stellen neben dem Nervensystem und dem Hormonsystem ein eigenes Kommunikationsorgan dar. Darüber hinaus sind sie für die Nährstoffversorgung der Zellen und den Abtransport von Abfallstoffen zuständig.

Unser Bindegewebe überträgt Kräfte zwischen allen Teilen des Bewegungsapparates und den inneren Organen bis hinunter auf die Ebene der Zellen. Auch die Gehirnhäute, die das Gehirn umhüllen, sind fasziale Strukturen. Zudem gibt es Hinweise, dass es auch mit unserem Energiesystem in Verbindung steht. Im optimalen, gesunden Zustand ist die Grundsubstanz der Faszien flüssig. Wenn die Grundsubstanz von einem flüssigen in einen Gelzustand wechselt, ist der Stoffwechsel der Zellen erschwert und das System versteift. Durch gezielte Behandlungen mit Druck und Wärme kann die Grundsubstanz wieder verflüssigt werden.
Durch Verletzungen oder Bewegungsmangel kommt es zu einer vermehrten Ausbildung von Wasserstoffbrücken zwischen den Kollagenfasern, wodurch das Gewebe immer steifer und unbeweglicher wird.

Schädigung der Faszien durch Verletzungen

Durch plötzliche oder chronische Überlastungen, durch Fehlhaltungen, durch falsche Ernährung (Stichwort Übersäuerung und ein Mangel an Vitamin C), durch dauerhaften Stress oder durch zu wenig Bewegung können die Faszien geschädigt werden. Diese Schädigungen rufen etwa Verkürzungen und Risse, Zerrungen, Verspannungen in den Faszien hervor. Spannungen können entlang myofaszialer Zuglinien andere Bereiche des Körpers erreichen, etwa, dass sich nach einem Überknöcheln Schulterschmerzen bemerkbar machen. Geschädigte Faszien können außerdem Fehlhaltungen, eine erhöhte Gesamtspannung des faszialen Systems sowie organische Beschwerden verursachen. Spätestens jetzt empfiehlt es sich, einen erfahrenen Körpertherapeuten – nach Abklärung durch einen Arzt – aufzusuchen.

Shiatsu unterstützt das fasziale System

Während die Akupunktur vor allem Punkte auf den Meridianen behandelt, die man sich wie Schaltstellen vorstellen kann, wird beim Shiatsu zusätzlich der Meridianverlauf in die Behandlung einbezogen. Die Akupunkturmeridiane verlaufen in den Faszien.

Gut geschulte Shiatsu-TherapeutInnen können bereits bei der visuellen Kontrolle des Klienten Asymmetrien in der Haltung erkennen. Durch Berührung und Dehnung stellt der Shiatsu-Praktiker Verhärtungen und Verkürzungen, eine zu hohe oder zu niedrige Spannung in den Faszien fest. Durch Spannungen in den Faszien kommt es auch zu Blockaden in den Meridianen. Ein Meridian, der sich nicht im Gleichgewicht befindet, beeinflusst seinerseits aber auch die Spannung der Faszie, in der er verläuft. Ein erfahrener Shiatsu-Praktiker spürt den Unterschied, ob sich ein Bereich normal oder verändert anfühlt und führt auch Seitenvergleiche durch.
Durch Berühren, Drücken, Streichen und Dehnen werden Meridiane und Faszien automatisch mitbehandelt. Ein guter Therapeut kann den Fokus auf entweder auf die Faszie oder auf das Energiesystem legen und so spezifisch auf das Hauptproblem eingehen.

Bei der Behandlung selbst wird durch die Entspannung des Klienten das parasympathische System aktiviert und damit die Regeneration und Heilung unterstützt. Der Druck und die Wärme der Berührung helfen dabei, die Grundsubstanz zu verflüssigen und die Zellernährung damit wieder zu optimieren. Die Kollagenfasern richten sich aus und die Qualität der faszialen Struktur verbessert sich. Die Verletzungsanfälligkeit sinkt. Spannungen im Körper werden abgebaut. Dadurch verbessern sich nach der Theorie der Osteopathie der Blutfluss und die Reizweiterleitung des Nervensystems. Nährstoffe, Abfallstoffe und Botenstoffe diffundieren besser durch die Grundsubstanz der Faszie - von den Gefäßen zu den Zielzellen und umgekehrt. Die Organe können effizienter arbeiten, wenn die umliegenden Strukturen von Spannungen befreit werden.

Behandlungsdauer und Prognosen

Disbalancen, die nur im Bereich des Energiesystems liegen, können meist sehr rasch ausgeglichen werden. Muskuläre Beschwerden haben hingegen eine längere Heilungsdauer. Schlecht durchblutete Sehnen und Bänder heilen noch langsamer. Knorpel und Knochen sind die letzten in der Reihe. Sehr alte Verletzungen und Verklebungen lassen sich unter Umständen nicht mehr lösen, man kann allerdings das Gesamtsystem durchaus behandeln und Verbesserungen erzielen. Die Heilungsdauer und der Heilungserfolg hängen einerseits von der Art und Schwere der Beeinträchtigung und von der Qualifikation des Therapeuten ab, aber andererseits auch wesentlich vom Verhalten (Behandlungen, Übungen) und der Ernährung des Patienten.

Vorbeugen

Eine untrainierte fasziale Struktur ist zusammengezogen und nicht sehr beanspruchbar. Sie schränkt die Beweglichkeit ein und reißt leicht. Dieser Zustand ist zu vermeiden, aber schwer wieder zu korrigieren. Daher ist es unbedingt zu empfehlen, vorzubeugen und gesund und fit zu bleiben. Auch Menschen ohne Beschwerden sollten einerseits Dehnungsübungen ausführen, andererseits die Gelenke durch korrekten Muskelaufbau und Gleichgewichtsübungen stabilisieren, damit sie achsgerecht belastet werden.

Sport, richtig Essen und Trinken – was können Sie selbst tun

Tipps von Gerald Gunsch, Shiatsu-Praktiker und Osteopath:
  1. Bewegen! Ohne Bewegung degenerieren Knorpel, Bandscheiben und Knochen. Knorpel und Bandscheiben ernähren sich durch „Durchwalken“, also Be- und Entlastung. Wenn Sie z.B. den Arm nie über den Kopf heben und nach hinten strecken, schrumpft die Gelenkkapsel der Schulter, die Sehnen und Bänder verkürzen sich. Daraus resultieren zahlreiche Schulterprobleme. Bewegen Sie mehrmals alle Gelenke bis zur Bewegungsgrenze durch.
  2. Dehnen! Gelenkkapseln und Bänder, die bereits verkürzt sind, können in den meisten Fällen durch korrekt durchgeführte, tägliche Übungen wieder gedehnt werden.
  3. Eine korrekte, tiefe Atmung, die die gesamte Kapazität der Lunge nutzt, hat ebenfalls einen großen Einfluss auf den Säure-Basenhaushalt. Sie kann beim Yoga, bei einer Shiatsu- oder Meditationsausbildung oder in einer Kampfkunst erlernt werden.
  4. Verwenden Sie eine Faszienrolle: Die Faszienrolle ordnet die Kollagenfasern und drückt Schlackestoffe aus dem Gewebe. Lassen Sie sich die Anwendung von einem Profi zeigen, dann kann die Faszienrolle auch zu Hause verwendet werden.
  5. Führen Sie Stabilisations- und Gleichgewichtsübungen durch. Damit trainieren Sie vor allem die kurzen Muskeln der Wirbelsäule, die für die Feinsteuerung zuständig sind, und sorgen für mehr Sicherheit und Stabilität. Auch für die Beine und die Arme gibt es stabilisierende Übungen.
  6. Achten Sie auf Ihre Ernährung und vermeiden Sie eine Übersäuerung des Körpers: Frische saisonale und regionale Lebensmittel sind ideal. Wenn Sie Kaffee, Alkohol oder Zucker genießen, nehmen Sie am besten nur geringe Mengen zu sich. Vermeiden Sie einen zu hohen Anteil von tierischem Eiweiß in der Ernährung. Nikotin hat ebenfalls einen schädlichen Einfluss auf den Säure-Basenhaushalt des Körpers.
  7. Reduzieren Sie Stress! Das dabei vom Körper produzierte Cortisol hemmt den Kollagenaufbau.
  8. Je älter wir werden, umso eher trocknen wir aus. Achten Sie daher auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr.
  9. Lassen Sie sich Ihre Haltung, aber auch Verspannungen und alte Narben von einem Fachmann überprüfen und behandeln. Jahrelange Verspannungen und Fehlhaltungen können die Strukturen des Körpers dauerhaft schädigen!
Auf der Suche nach einer geeigneten Shiatsu-PraktikerIn? Alle ExpertInnen für Shiatsu finden Sie auf der Webseite des Österreichischen Dachverband für Shiatsu: http://oeds.at/praktikerinnen-suche




Info zum Autor:
Gerald Gunsch ist Shiatsu-Praktiker und Osteopath und unterrichtet am Innsbrucker Universitätssportinstitut Aikido. Gunsch ist Autor und Herausgeber der DVD-Reihe „Anatomische Studien“.

AutorIn: /Fotocredit: Gerald Gunsch
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