Berlin 1936 - Gretel Bergmann und die Olympischen Spiele in Berlin
Berlin 1936 - Gretel Bergmann und die Olympischen Spiele in Berlin
Vertrieben, zurück geholt, gedemütigt und von einem Mann ersetzt: Kaspar Heidelbachs Film Berlin ’36 erzählt die unglaubliche Geschichte der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann und ihrer missglückten Teilnahme an den Olympischen Spielen in Nazi-Deutschland 1936.
Berlin 1936 - Gretel Bergmann und die Olympischen Spiele in Berlin
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Kurios-absurder könnte diese Episode der deutschen Geschichte nicht sein – und gerade deshalb spiegelt sie den Wahnsinn der Zeit so gut wieder: 1936 bereitet sich Berlin auf die Olympischen Spiele vor, doch die USA drohen mit Boykott, sollte das Nazi-Regime keinen einzigen jüdischen Teilnehmer in seinem Team aufstellen. Noch will Hitler die Weltöffentlichkeit nicht gegen sich aufbringen, also lässt er die schon nach Großbritannien emigrierte und dort mittlerweile sehr erfolgreiche junge Hochspringerin Gretel Bergmann, im Film gespielt von Karoline Herfurth, unter Drohungen nach Deutschland zurückholen. Doch damit keine reelle Chance besteht, dass Gretel den Bewerb gewinnt – sie zählt damals zu den besten in ihrem Gebiet – muss eine Konkurrentin her und wird in Dora Ratjen (im Film wird der Name in Marie Kettler geändert) gefunden. Gretel bekommt allerdings keine Möglichkeit, sich gegen Dora zu beweisen, denn sobald sich das amerikanische Team auf den Weg gemacht hat, wird sie von der Teilnahme an den Spielen ausgeschlossen. Dora muss jedoch für Nazi-Deutschland starten – und dass, obwohl sie eigentlich Horst heißt und ein Mann ist.

Gute Geschichte, mangelhafte Umsetzung

Interessanten Stoff bietet dieses Detail aus der Nazivergangenheit, dem sich der bisher als erfolgreicher Fernsehregisseur bekannte Kaspar Heidelbach angenommen hat, genug. Der Umsetzung fehlt es zeitweise allerdings an Spannung und Glaubwürdigkeit. So gut gemeint die Besetzung mit deutschen Jungtalenten ist – Karoline Herfurth ist als Gretel wieder einmal die unbeugsame Tochter, wie man sie auch in Im Winter ein Jahr sehen konnte, und eine Leistungssportlerin nimmt man ihr nicht ab. Zudem besitzt Sebastian Urzendowsky, der die Marie darstellt, so wenig weibliche Züge, dass seine Darstellung in Frauenkleidern oft wie eine unfreiwillige Travestie wirkt. Immerhin bleibt der Film damit nah an der Geschichte, denn sieht man sich Fotos von Horst Ratjen an, erscheint es noch unglaublicher, dass er in seiner Frauenrolle zwei Jahre später noch einmal einen Weltrekord im Hochsprung landete und erst danach disqualifiziert wurde, da ein Arzt bemerkte, dass er sich seine Geschlechtsteile hochgebunden hatte.

Schwarz-Weiß und Halbherzig

Im Mittelpunkt von Berlin ’36 steht vor allem die Beziehung zwischen Gretel und Marie. Die beiden freunden sich im Trainingscamp an und kämpfen gegen die Front, der sie sich gegenüber gestellt sehen: die beiden anderen deutschen Mädels aus dem Team, der Trainer, der Gretel ständig schikaniert und all die anderen bösen Nazis, die in einer recht naiven Schwarz-Weiß-Zeichnung dargestellt werden. Heraus sticht nur der vorherige Trainer der Hochspringerinnen, der, nachdem er Gretel zu normal behandelt hatte, sofort ersetzt wurde. Mit Großaufnahmen von Gretels Augen und Lippen vollzieht die Kamera Maries sehnsüchtige Gedanken nach, doch weiter aufgelöst wird diese Spannung nicht. Allzu plump ist leider auch Maries Erklärung für ihre Verkleidung, als Gretel sie einmal beim Duschen erwischt: ihre Mutter habe immer ein Mädchen haben wollen – und keinen Jungen. Berlin ’36 bietet damit wenig Aufrüttelndes und viel Halbherziges, wie auch die Doku-Sequenz, die am Ende des Films ein kurzes Interview mit der echten Gretel Bergmann zeigt, das eher wie ein Recherchebeweis wirkt, als eine Brücke zur realen Person.

Berlin ’36. Deutschland 2009, 101 Minuten. Regie: Kaspar Heidelbach. Mit: Karoline Herfurth, Sebastian Urzendowsky, Axel Prahl.


Autorin: Mag.a Anne Wiedlack

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