Juli Zehs Spieltrieb - Die Urenkel der Nihilisten
Juli Zehs Spieltrieb - Die Urenkel der Nihilisten
Was bleibt dem Menschen, wenn sein Wertsystem, seine Wichtigkeiten, seine moralische Urteilskraft, sein Mitgefühl ihre Gültigkeit verlieren? Die Antwort dieser Subtraktion dient Juli Zeh als Titel ihres im Jahr 2004 veröffentlichten Romans: der Spieltrieb. Eine düstere Geschichte über Machtspiele, die Entscheidung zwischen Gut und Böse und eine fatalistische Generation, die aktueller denn je ist und von der ersten bis zur letzten Seite fesselt.
Juli Zehs Spieltrieb - Die Urenkel der Nihilisten
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Infos zur Autorin

Juli Zeh wurde 1974 in Bonn geboren und studierte Jura in Passau, Krakau, New York und Leipzig mit dem Schwerpunkt Völkerrecht. Noch währenddessen begann sie mit dem Studium am Deutschen Literaturinstitut in Leipzig, das sie 2000 abschloss. 2001 debütierte sie mit dem Roman „Adler und Engel“, im Jahr darauf erschien der Reisebericht von Bosnien „Die Stille ist ein Geräusch“. Der letzte Roman ist der Krimi „Schilf“ (2007).

Juli Zehs schöne Homepage: www.juli-zeh.de
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Die Figuren in den Geschichten der Bonner Autorin sind keine Durchschnittsmenschen – die „Normalos“ sind Juli Zeh zu langweilig, wie sie in einem Spiegel-Interview erklärte. Und so ist auch die Protagonistin von „Spieltrieb“ alles andere als normal: Ada ist hyperintelligent, frühreif, an durchschnittlichem sozialen Kontakt und dem Unterricht, der sie offensichtlich unterfordert, ganz und gar nicht interessiert und hebt sich damit auch am neuen Ernst-Bloch-Gymnasium vom Rest der cleanen, arroganten „Prinzessinnen“ ab. Die Sinnsuche hat sie schon lange als überflüssig hinter sich gelassen – und doch scheint sie auf der Suche nach etwas zu sein.

Gleich gültig

Keinen Sinn, aber einen Leidensgenossen und auch eine Art Orientierung findet Ada in Alev, der ebenfalls neu in die Klasse kommt und sofort alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und schon kann das Spiel beginnen, dessen Dirigent Alev wird, dem sich Ada in bedingungslosem Einverständnis unterordnet. Als Hauptopfer und dritte Spielfigur sucht sich Alev den polnischen Deutsch- und Sportlehrer Smutek aus, der in der pfeilschnellen Ada seine neue Leichtathletikhoffnung sieht. Die beiden selbsternannten Urenkel der Nihilisten erpressen Smutek und beginnen ein Spiel von Unterwerfung, Abhängigkeit, sexueller Ausbeutung und vor allem: Macht.

Recht und Unrecht

Zeh, die selbst Rechtswissenschaft in Passau, Krakau, New York und Leipzig studiert hat, stellt in „Spieltrieb“ die rechtsphilosophische Frage nach der objektiven Existenz von Recht und Unrecht. Für die beiden Protagonisten ist alles gleich gültig und das Gute die „maximale Effizienz bei minimiertem Verlustrisiko.“ Die Kritiker haben sich an diesem sprachgewaltigen Roman gespalten. Wo die einen Verherrlichung von Robert Musils Umständlichkeit und schiefe Metaphern vermuteten, sahen andere eine wortgewandte intelligente Jungautorin, die mit ihrem zweiten Roman brillierte. Auch wenn „Spieltrieb“ an Metaphern und Vergleichen etwas überladen ist, liest sich das spannende Buch eindeutig leichter als Musil. Schön ist auch, dass die Figur der Ada nicht eindeutig bleibt, da bei ihr unter der kalten, gleichgültigen Fassade doch immer wieder Gefühle aufblitzen. Die Spieler konstruieren ihre eigene, grausame Geschichte – und Gewinner und Verlierer werden gleichgestellt.

Juli Zeh, „Spieltrieb“, Schöffling &Co., 2004. ISBN 3-89561-056-9

Autorin: Mag.a Anne Wiedlack
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