Märchen und Mythen - als das Wünschen noch geholfen hat
Märchen und Mythen - als das Wünschen noch geholfen hat
Nach einem anstrengenden Arbeitstag sehnen Sie sich plötzlich nach hundert Jahren Schlaf, der keine zeitlichen Spuren an Ihnen hinterlässt?

Zugegeben, ein etwas kurioser Wunsch. In stressigen Zeiten könnte die mentale Vorstellung darüber, wie Dornröschen einmal hundert Jahre Ruhe zu haben, aber durchaus als Entspannungsmethode dienen. Das wäre aus zwei Gründen nicht verwunderlich.

Erstens haben wir als Kind dieses Märchen geglaubt. Zweitens sind wir in Alltagssituationen immer wieder mit Ereignissen konfrontiert, die auch beim zweiten Hinsehen wenn nicht unbedingt märchenhafte, so doch wenigstens absurde Züge aufweisen.

Unglaublich ist außerdem der Druck, der häufig auf uns lastet, ob selbst- oder fremdbestimmt, und dem wir oft mehr, oft weniger biegsam nachgeben. Wen wundert es da, dass wir uns in einsamen Momenten auf uns selbst zurückziehen und die Gedanken mitsamt Sehnsüchten und irrationalen Wünschen treiben lassen? Auch ein moderner Mensch darf sich ausmalen, was er sagte, hätte er drei Wünsche frei. Spätestens nach Feierabend im Kino.

Mythen und Märchen

Sie sind so alt wie die Menschheit, die Mythen und Märchen, die sich um besondere Orte und Personen, um Schätze und scheinbar unerklärliche Vorkommnisse ranken.
Wenn die Sonne strahlt und der Himmel klar ist, herrscht Frieden unter den Göttern. Wird der Zorn des Wettergottes geweckt, ziehen Donner, Blitz und Hagel über das Land und zerstören die Aussicht auf eine gute Ernte. Es ist eine jener Mythen, die uns als Teil untergegangener Hochkulturen sowie als deren Überbleibsel in kleinen indigenen Bevölkerungsstämmen geläufig ist.

Für postmoderne Begriffe haben Mythen den weniger bedeutsamen Charakter von Träumen angenommen. Der Traum vom schnellen Geld ist darunter zu finden, wohl auch der Traum von der großen Liebe oder der vom langen Leben.
Während Mythen im eigentlichen Sinn, nämlich Erzählungen, die von menschliche Schicksale lenkenden Göttern handeln, natürlich keine Rolle mehr für uns spielen, haben Märchen bis heute ihre Funktion behalten. Kinderaugen leuchten wie eh und je, wenn man ihnen von den Abenteuern der Bremer Stadtmusikanten erzählt. Die schlauen Igel und der kurzsichtige Hase dürfen nach wie vor ungehalten ihr Wettrennen austragen und Peter Pan darf fliegen, egal ob zunächst in der eigenen Fantasiewelt oder durch Spezialeffekte auf der Kinoleinwand. Märchen sind zeitlos. Sie drücken Ängste und Sehnsüchte aus, lehren uns Vorsicht (den schlafenden Riesen soll man nicht wecken) ebenso wie Mut (der Aufbruch zu abenteuerlichen Reisen wird belohnt) und den lösungsorientierten Umgang mit Problemen.

„Märchen für Erwachsene“ wiederum sind populärer denn je geworden: Ein Bekenntnis zum inneren Kind, in dem sich das Bewusstsein über den Wert der Fantasie widerspiegelt.

Die Fantasie ist unendlich

In die Rolle eines anderen Menschen zu schlüpfen, ist gewöhnlich das Privileg von Schauspielern. Die Welt aus fremden Augen zu sehen, übt jedoch auf die meisten von uns eine große Faszination aus. Es ist ein Erlebnis, die Perspektive zu wechseln, das Herkömmliche einmal vollkommen anders wahrnehmen und die Grenzen der Vernunft dabei überschreiten zu können. Wer lässt sich nicht gern auf eine emotionale Achterbahnfahrt durch eine Welt einladen, in der man die Abenteuer eines Piratenlebens nachempfinden kann und dabei auch wieder heil aus all dem Chaos herauskommt?

„Fantasie“, so sagte einer der größten Köpfe und vielleicht auch einer der großen Kindsköpfe unserer Geschichte, Albert Einstein, „ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“ Auch wenn die Anhäufung von Wissen heute mehr denn je bestimmend für unsere Gesellschaft ist, wird das Geschichtenerzählen nie aus der Mode kommen.

Da hatten die alten Griechen zum Glück wieder einmal Recht.


Autorin: Angelika Stallhofer






 

Kommentare