Simplify your life – Endlich mehr Zeit haben: Selbstversuch einer Mutter
Simplify your life – Endlich mehr Zeit haben: Selbstversuch einer Mutter
„Mehr Zeit, das wäre schön!“, denke ich, als ich den Titel im Onlineshop entdecke. Das Buch ist für „normale“ Leute geschrieben, also solche, die selbst über ihre Zeit verfügen und nicht einen 24h Job als Mutter haben. Dennoch wäre es doch möglich, dass sich der eine oder andere Tipp auch mit Kind als brauchbar erweist, überlege ich und klicke auf den Bestellbutton.
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Das kleine gelbe Buch ist gerade mit der Post gekommen. Das werde ich mir sofort anschauen! Doch vorher schiebe ich den Kinderwagen ins Vorzimmer, lege das Paket in die Küche, packe den Kleinen aus seinem Schianzug und gehe mit ihm Händewaschen. Dabei sehe ich das Spielzeugauto im Bad, schnappe es und mache mich auf den Weg ins Kinderzimmer, wo es eigentlich hingehört. Als ich am Schlafzimmer vorbeikomme, fällt mir das Fläschchen mit den Nasentropfen auf, das ich schon im Bad gesucht habe und der Schlafsack vom Kleinen könnte auch wieder mal gewaschen werden, also zurück ins Bad. Auf dem Weg dorthin stolpere ich fast über den Windelkübel, der schon beinahe überquillt und dringend gewaschen gehört (wir verwenden Stoffwindeln). Mit dem Fuß schiebe ich ihn vor mir her zur Waschmaschine und fülle sie damit voll. Da fällt mir ein, dass ich ja noch eine Windel in der Wickeltasche habe, die hole ich schnell, das Spielzeugauto habe ich natürlich längst vergessen und es liegt jetzt irgendwo zwischen Arbeitszimmer und Bad. Die Keksdose in der Wickeltasche ist leer, ich fülle sie nur rasch in der Küche auf. Da fällt mein Blick auf das Päckchen mit dem Buch. Stimmt, da wollte ich doch eigentlich gleich mal reinschauen! Ich öffne es und fühle mich ertappt, es beginnt mit genau so einem Beispiel, wie ich es gerade erlebt habe. Ein Tag, an dem ich keine Minute zum Ausruhen gekommen bin und an dem trotzdem so gut wie nichts erledigt wurde. Damit ist mein Interesse geweckt und ich setze mich auf den Boden zu meinem Sohn, der gerade seine Arche Noah mit den Tieren befüllt. Solange Mama neben ihm sitzt ist alles gut, da stört es auch kaum, wenn sie in einem Buch ein wenig liest.

Gleich zu Beginn heißt es „Rechnen Sie mit dem Chaos“. Oh ja, das ist was für mich! Ich erfahre, dass Chaos in der Physik ein wertfreier Begriff ist und jeder Vorgang, der durch drei oder mehr Dinge beeinflusst wird, zwangsläufig unvorhersehbar, also chaotisch ist. Hier finde ich mich wieder und es ist noch nicht mal meine Schuld sondern ein Naturgesetz! Außerdem, so heißt es weiter, sei Chaos unbedingt notwendig, da entscheidende Innovationen nur entstehen könnten, wenn wir uns dem Diktat der Ordnung auch einmal entzögen. Na bitte, das schaffe ich!

Weiter geht es mit folgender Überschrift: Lernen Sie die Kunst des Nichtstuns. Der Autor meint damit eine Art Meditation, bei der man sich höchstens auf seine Körperaktivitäten wie Atmung und Herzschlag konzentrieren soll. Das ist mit einem Einjährigen daneben schwierig, aber ich beschließe, dass Bausteine übereinanderstapeln, die anschließend in schöner Regelmäßigkeit von einem lachenden kleinen Buben wieder umgestoßen werden – und das gefühlte tausendmal hintereinander – dem Nichtstun ohne zu denken sehr nahe kommt und lasse es gelten. Schließlich soll man doch auch ganz im Hier und Jetzt leben und von wem kann man das besser lernen, als von einem kleinen Kind! 

Schließlich komme ich zu dem Kapitel über das Zeitplanbuch. Dabei hat es mir eine kleine Unter-Überschrift besonders angetan „Lassen Sie Raum für Ihre Träume“ steht da. Träume und Ideen habe ich genug, leider aber keine Zeit sie umzusetzen! Doch die Idee im Buch ist gut. Ich soll ständig ein kleines Büchlein oder einen Kalender mit zusätzlichen leeren Seiten bei mir haben. Mir fallen dazu die berühmten schwarzen Notizbücher der Künstler ein und die Vorstellung, jede Idee sofort zu Papier zu bringen, sodass sie nicht verloren geht, gefällt mir. Vielleicht dauert es mit der Umsetzung ein wenig, aber allein das Gefühl auch noch etwas anderes zu können als Windeln zu wechseln, zu putzen und zu kochen, spornt mich an! Ach, und ich mag kein schwarz, aber womöglich ist ein lustiges Design für solche Büchlein ja gleich die erste Idee?

Zu guter Letzt nehme ich mir noch ein Beispiel an Bär, Ameise, Löwe, Adler und Elefant! Die paar Kilos, die mir aus der ersten Schwangerschaft geblieben sind, kann ich auch noch nach dem zweiten Kind wieder los werden, das macht gelassen wie ein Bär. Meine Aufmersamkeit kann ich nicht allem schenken, also wird sie auf wichtige Dinge bechränkt wie das die Ameise macht. Vom Löwen lerne ich, dass ich mir in Ruhe überlegen soll, was denn wirklich wichtig ist. Der Adler überblickt alles von ganz oben, das heißt für mich, dass ich immer wieder bewusst versuche, die Zeit mit meinem Sohn einfach zu genießen, auch wenn dabei vieles liegen bleibt und ich nicht so produktiv bin, wie ich das früher war. Doch aus Adlerperspektive ist die Zeit, in der er klein ist, ohnehin nur sehr kurz. Außerdem werde ich, wie der Elefant, versuchen die Dinge in Ruhe zu tun, was mich wieder an meine noch immer nicht laufende Waschmaschine erinnert. Ich nehme also die schmutzige Windel aus der Wickeltasche, bringe sie ins Bad und schalte die Waschmaschine ein. Den Schlafsack, der mittlerweile ins Arbeitszimmer verschleppt wurde, lasse ich einfach liegen. So ist zwar auch nicht alles erledigt am Abend, aber statt 100 angefangener Sachen habe ich wenigstens zwei fertige und das ist doch schon mal ein Anfang!
 

AutorIn: Iris Fischer

Fotocredit: Benjamin Thorn / pixelio.de
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